Mit seiner Idee ist er zur SP gegangen. Auch diese kämpft beim Sparen mit einem Glaubwürdigkeitsproblem. Wenn Claudia Nielsen die Tarife der städtischen Altersheime erhöht, so heisst es schnell, dass Cüpli-Sozialisten das Volk schröpfen, um „ihr Klientel“ schonen zu können. Die SVP bewirtschaftet diese These.
Pflügers Kürzungsklausel
Und so kam es, dass SP und FDP im November gemeinsam vorstössig wurden. Dem Stadtrat solle die Kompetenz übertragen werden, dem Schauspielhaus, der Tonhalle, dem Kunsthaus und vier anderen Institutionen die beschlossenen Kultur-Subventionen um bis zu 20 Prozent zu kürzen, wenn die Stadt ihr Eigenkapital aufgebraucht hat. Der Stadtrat, in dem FDP und SP die Mehrheit haben, war einverstanden.
An der letzten Ratssitzung war der Gemeinderat am Zug. Wie erwartet hat er dem Stadtrat den Auftrag erteilt, mit dem Schauspielhaus, dem Neumarkttheater, dem Theaterhaus Gessnerallee, der Tonhalle, dem Kammerorchester, der Filmstiftung und der Kunstgesellschaft Verhandlungen aufzunehmen. Die Subventionsverträge sollen mit der Pflügers Kürzungsklausel ergänzt werden.
Nur warme Luft
Bei den Kultur-Institutionen hat der Beschluss keine Wellen geworfen. Mit gutem Grund. Der Sparbeitrag, den Severin Pflüger den Einrichtungen abverlangen will, ist nämlich an eine Bedingung geknüpft, bei deren Eintreten befristete Subventionskürzungen das kleinste Übel wären. Wenn die Stadt über Jahre hinweg Defizite schreiben und das heute bei 667 Millionen stehende Eigenkapital aufbrauchen würde, wären die Stadtfinanzen total aus den Fugen. Dann würde nicht über befristete Subventionskürzungen, sondern über die Schliessung von Einrichtungen diskutiert.
Nicht nachdenken
Der freisinnig-sozialdemokratische Spar-Deal wird deshalb eine ärgerliche Episode bleiben. Die Verträge mit den Kulturinstituten werden mit der Pflüger-Klausel ergänzt. Und die angespannte Finanzlage der Stadt wird mit den vom Stadtrat aufgegleisten und von einer Mehrheit des Gemeinderats durchgewinkten Massnahmen „bewältigt“, ohne dass man ernsthaft über die im Rat besungenen „Opfersymmetrien“ nachdenkt.
Die Stadt wird ihr Standortmarketing optimieren und ihre Prestigeprojekte realisieren. Leistungen, von denen die schwächeren Teile der Bevölkerung profitieren, werden reduziert. In der Kinderbetreuung werden die Elternbeiträge erhöht. Zu der von der AL geforderten gezielten Anpassung des Steuerfusses zur Finanzierung von Zukunftsvorhaben wie der flächendeckenden Einführung der Mittagsbetreuung in den Schulen wird es nicht kommen. Und die Debatte, wie eine sinnvolle Kulturförderung in Zeiten knapper werdenden Ressourcen aussehen könnte, wird es nicht geben.
Walter Angst