Gutes Tuch, feines Schuhwerk und gerne einmal eine Zigarre: Der Rechtsanwalt Markus Bischoff ist den eher bourgeoisen Insignien seines Standes nicht abgeneigt, auch wenn er sie mit der Lässigkeit des Freigeists vorführt. Tuch und Lässigkeit täuschen über eine wesentliche Eigenschaft des 58-jährigen Kantonsrats der Alternativen Liste (AL) hinweg: die Ernsthaftigkeit, mit der er an seine politischen Aufgaben herangeht. So sieht er auch seine Regierungskandidatur nicht als reinen Dienst am Parteiziel, Fraktionsstärke im Parlament zu erreichen: «Ich möchte gern Regierungsrat werden und schätze meine Chancen realistisch ein; sie sind nicht gleich null.» Punkt.
Vielgelobter PUK-Präsident
Bischoff politisiert seit seiner Schulzeit ganz links und steht dazu. Er machte in der Anti-AKW- und in der Bewegung zur Abschaffung der Armee mit. Er führte die Zürcher VPOD-Sektion und übernahm 2013 das Präsidium des Gewerkschaftsbunds in einer schwierigen Situation, in der er sich als Moderator bewährte. Er sass ein Jahrzehnt im Zürcher Gemeinderat und ist seit 2007 im Kantonsrat einer der wenigen Redner, dem das Plenum wirklich zuhört. 2010 vertraute ihm der Rat das Präsidium der erst zweiten parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) in der Zürcher Geschichte an. Für seine Arbeit zur Klärung der Vorgänge um die BVK erntete er Lob von allen Seiten.
Er habe die PUK sehr gut geführt, sagt etwa der Berufskollege und Ex-FDP-Kantonsrat Beat Badertscher, der Bischoff als hochintelligenten, hochdifferenzierten Juristen schätzt. Er halte Distanz zur Sache, es sei ihm nie um eine politische Abrechnung gegangen. Bischoff habe nur ein Problem: die Polizei. Da würden die Gespräche heikel. Wählen würde Badertscher ihn wegen seines politischen Profils trotzdem nicht. Ähnlich äussert sich Bruno Walliser (svp.), 2010 bis 2012 Bischoffs Stellvertreter in der PUK. «In 90 Prozent der Fälle gehen unsere politischen Ansichten diametral auseinander», schickt er voraus, um dann die Umgänglichkeit, die rhetorischen Qualitäten, die auch schwierigen Situationen gewachsene Sitzungsleitung und die Dossierkenntnisse des PUK-Präsidenten zu loben. «Er akzeptiert andere Meinungen und bleibt stets sachlich», sagt Walliser. Als herzlicher, bodenständiger und korrekter Mensch wird Bischoff von Nationalrat Thomas Maier (glp.), ebenfalls PUK-Mitglied, geschildert – bei allen politischen Differenzen. Er sei der akribische, seriöse Schaffer gewesen, den es damals gebraucht habe: bereit, sich durch Tausende von Seiten zu kämpfen, fähig, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und komplexe Sachverhalte rasch zu durchdringen. Souverän habe er die PUK geführt. Auch Kantonsrat Walter Schoch (evp.) lobt Bischoff als scharfsinnigen Analytiker und beschlagenen Juristen, dessen politische Färbung schon durchdrücke, aber nie unangenehm.
Müssten ihn die guten Worte von falscher Seite nicht beunruhigen? Bischoff winkt ab. Das zeige nur, dass er nicht auf die Frau oder den Mann spiele. «Ich versuche grundsätzlich zu argumentieren, nicht durch die ideologische Brille.» Bischoff ist hoch über dem Bodensee im sankt-gallischen Berg an der Grenze zum Thurgau in einer Posthalter-Familie aufgewachsen. Vielleicht kommen daher seine Vorbehalte gegenüber der Stadt als einer «rot-grünen Wohlfühl-Oase». Er habe Verständnis für die Haltung des wertkonservativen, streng arbeitenden Baupoliers mit einem Häuschen in der Agglomeration, der ein Problem mit Sozialhilfebezügern hat, die nicht arbeiten und ihre Existenzsicherung vom Staat erhalten. Diese Leute dürfe man nicht der polarisierenden SVP überlassen. Hinstehen müsse die Politik und erklären, warum das so ist. Und dabei nicht nur den Verstand ansprechen.
Der AL-Mann kämpft für griffigere Massnahmen gegen Lohndumping, für bezahlbare, von den Unternehmen mitzutragende Kinderbetreuung auch ausserhalb der Stadt, für die maximal mögliche Abschöpfung von Planungsgewinnen und die Umzonung von Land in Kantonsbesitz, um damit den gemeinnützigen Wohnungsbau zu fördern, gegen Steuersenkungen und die Privatisierung von Spitälern – alles andere als das bürgerliche Programm. Ihn ärgert, dass seine Konkurrenz die entscheidende finanzpolitische Frage meide: Vor dem Wahltag sage keiner, es brauche Steuererhöhungen, um den Kantonshaushalt im Gleichgewicht zu halten. Sicher gebe es Sparpotenzial, aber es gehe auch um Verteilungsfragen. Schliesslich sei heute die Steuerbelastung 25 Prozent geringer als 1998. Nötig seien eine Auslegeordnung und eine offene Diskussion darüber, worauf verzichtet werden könne und was der Preis dafür sei.
Früh geprägt
Was hebt ihn und die AL von den andern Linken ab? «Wir stehen für ein kritischeres Verhältnis zum Staat als die SP und sehen ihn nicht als Allheilmittel», sagt Bischoff. Und: «Wir treten konsequent für die Grundrechte und den Schutz von Freiräumen und Privatsphäre gegenüber dem Staat ein, auch wo es unpopulär ist.» Gemeint sind Polizeigesetz und Hooligan-Konkordat. Vor allem aber stehe die AL für eine grössere Unabhängigkeit der Einzelnen, für weniger Verbandelung mit Pfründen und Posten, für eine grosse Portion Idealismus: «Wir kennen keine Spülung durch die Parteilinie.» Viele AL-Vertreter seien durch ihre Biografien geprägt. Manch einer habe etwa zur Gilgen-Zeit keine Chance auf einen staatlichen Job gehabt. Seinen eigenen ersten Ficheneintrag habe er im Alter von 18 Jahren mit einer Übernachtung im Engadiner Bildungs- und Feriencamp Salecina bewirkt. Bischoff ist trotzdem Hausbesitzer, nicht Hausbesetzer geworden. Mit seiner Partnerin und den zwei Töchtern lebt er in Zürich Höngg.
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Der bodenständige Linksintellektuelle
Markus Bischoff hat sich als Politiker in allen Lagern einen guten Ruf erworben. Im Kanton sind die Hürden für den Sprung in die Regierung aber sehr hoch. Von Markus Berner, NZZ online, 14.3.2015.