Volksaufträge
Beide Geschäfte sind Aufträge, die das Volk dem Regierungsrat gegeben hat:
- Zur Einführung der Mehrwertabschöpfung hat der Souverän die Kantone im März 2013 mit der Annahme des revidierten Raumplanungsgesetzes verpflichtet. Zur Abstimmung kam es wegen einem vom Gewerbeverband lancierten Referendum. Im Kanton Zürich haben sich nur 28,7 Prozent Nein zur Mehrwertabgabe gesagt.
- Anderthalb Jahre später sprachen sich 58,4 Prozent dafür aus, dass von planerischen Mehrwerten profitierende Gruneigentümer zum Bau von preisgünstigen Wohnungen verpflichtet werden können. Zur Abstimmung kam es, weil der Hauseigenümerverband die FDP- und SVP-Fraktionen im Kantonsrat zum Behördenreferendum gedrängt haben.
Wer dachte, dass die Gegner der Mehrwertabschöpfung Lehren aus den beiden verlorenen Abstimmungen gezogen hätten, sieht sich getäuscht. Hauseigentümer- und Gewerbeverband weibeln nach wie vor für das uneingeschränkte Recht der Grundeigentümer, planerische Mehrwerte vollumfänglich in den eigenen Sack zu stecken. Ihre Funktionäre haben bei dieser Frage FDP, SVP und grosse Teile der CVP fest im Griff.
Odermatts Tabubruch
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass im Alltag verwurzelte bürgerliche Gemeindepolitiker das ganz anders sehen. Zahlreiche Kommunen könnten ihre Infrastrukturprojekte nicht mehr finanzieren, wenn sich Grundeigentümer bei der Ausarbeitung von Gestaltungsplänen nicht vertraglich zu Gegenleistungen verpflichten. Als Mehrwertabgabe werden solche Deals natürlich nicht bezeichnet.
Der Zürcher Hochbauvorsteher André Odermatt hat den Tabubruch gewagt. Bei der Vorstellung des Gestaltungsplans für den Hauptsitz der Zürich Versicherungs-Gesellschaft am Mythenquai hat er offen verkündet, dass der Grundeigentümer für die Zusatzausnutzung von immerhin 7000 Quadratmetern eine Mehrwertabgabe an die Stadt von 8,4 Millionen Franken bezahlen werde. Die Stadt werde das Geld in die Umwandlung des Parkplatzes vor dem Hauptsitz der Versicherungs-Gesellschaft in eine attraktive Hafenpromenade investieren.
Tuena-Tognella in Rage
Die Fraktionspräsidenten von FDP und SVP im Zürcher Gemeinderat sprachen sofort von einem Skandal. Eine Rechtsgrundlage für eine solche Mehrwertabgabe gebe es nicht und werde es im bürgerlichen Kanton Zürich auch nie geben. Die Herren der Zürich seien von der rotgrünen Stadtregierung erpresst worden.
Man staunt über die Schelte des Duos an den Immobilienchefs der Zürich Versicherungs-Gesellschaft. Man ist bass erstaunt über die Ehrfurcht der bürgerlichen Kommunalprominenz vor dem Souverän. Und man ahnt, wie viel Anstrengung es noch brauchen wird, die Wohnpolitik und die Raumplanung des Kantons Zürich dem Zugriff des Hauseigentümer- und Gewerbeverbandes zu entreissen.