Wie geht es dir heute nach dem Urteil?
Zuerst möchte ich sagen, dass mich vor genau vier Jahren, am 19. Januar 2011, ebenfalls Bezirksrichter Sebastian Aeppli der schweizerischen Bankgeheimnisverletzung etc. für schuldig gesprochen hat. Heute ist also ein Jubiläum. Der gleiche Richter hat mich jetzt in mehr oder weniger derselben Sache teilweise freigesprochen. Natürlich sind die Freisprüche schön, doch die Begründungen für die wenigen verbliebenen Schuldsprüche sind für mich höchst zweifelhaft. Zudem hat der gerichtliche Vertrauensarzt meine Verhandlungsfähigkeit total falsch eingeschätzt, was mit dem Vorfall am 10. Dezember 2014 (Zusammenbruch vor Gericht, Anmerkung der Redaktion) offensichtlich bestätigt wurde. Meine Anwältin hat bereits anlässlich der Urteilsverkündigung Berufung eingelegt. Sicher ist, dass das irdische Urteil keinen Einfluss auf mein Wohlbefinden hat, dass ich es gelassen nehme und bald wieder fit bin.
Unsere Anfrage im letzten Herbst kam für dich überraschend. Warum hast du Ja gesagt?
Ich sagte Ja, weil ich die AL und ihre Ziele vor etwas mehr als vier Jahren durch Niggi Scherr erstmals kennenlernen durfte. Zudem organisierte die AL beim Bezirksgerichtsverfahren 2011 eine Pressekonferenz mit mir unter der Leitung von Niggi Scherr. Die AL unterstützte mich damals als einzige Partei in der Schweiz. Folglich habe ich mich für die Partei noch mehr interessiert und stellte in vielen Punkten Übereinstimmungen mit meiner persönlichen Ansichten fest.
So fiel es mir bei der Anfrage im letzten Herbst leicht, mich für eine Partei zu entscheiden, die zum Wohl der Allgemeinheit auch schwierige Themen anpackt und sich nicht vor Widerstand scheut. Viel musste ich deshalb nicht überlegen. Ich brauchte einfach noch das Einverständnis meiner Frau. Trotzdem: Auf diesem Hintergrund ist mein Entscheid nicht nur spontan, sondern auch über Jahre gereift. Auch sehe ich es als meine Bürgerpflicht an, mich zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen.
Du und die AL – wo siehst du da Schnittmengen?
Ich bin sehr familienorientiert. Fairness in der Zivilgesellschaft ist mir ein wichtiges Anliegen. Die Schnittmenge mit der AL sehe ich bei der Steuergerechtigkeit, bei familienbezogenen Themen, bei der Chancengleichheit und auch bei den Grundrechten. Was die Grundrechte angeht, habe ich nicht nur selbst viel Missbrauch erfahren, ich habe mich auch mit grossem persönlichem Engagement dafür eingesetzt.
Für welche Ziele möchtest du dich im Fall einer Wahl besonders einsetzen?
Als Experte für Verdunklungs- und Verschleierungsoasen möchte ich mich noch intensiver für Steuergerechtigkeit einsetzen. Die Verbesserung der Lebensbedingungen von Familien und generell die Grundrechte sind weitere Ziele, die mir am Herzen liegen.
Erzähl uns noch etwas über deine Herkunft. Wie bist du aufgewachsen, was hat dich in deiner Kindheit und Jugend bewegt?
Ich bin im Kreis 5 am Röntgenplatz als Arbeiterkind mit zwei jüngeren Brüdern aufgewachsen. Ich spielte beim FC Industrie Fussball. Das Vereinsleben hat mir sehr viel gegeben. Ich lernte Fairness im Sport und auch im Leben kennen. Ich erfuhr auch, dass sich harte Arbeit an mir lohnt, dass Disziplin hilft, sich im Leben durchzubeissen, und dass es wichtig ist, Verantwortung zu tragen. Denn als Fussballtorwart bedeutete jeder Fehler meinerseits meistens ein Tor.
Mich bewegte auch, dass ich in diesem Quartier früh die Realität des Lebens erfahren durfte. Tief beeindruckt hat mich schon damals das Schicksal von Menschen, die unter prekären Umständen leben, denn meine Eltern und viele um mich herum mussten um das existentielle Überleben kämpfen. Das war häufig bedrückend, aber auch sehr lehrreich.
Während meiner 15jährigen Auslandszeit genoss ich es bei jedem der Zürich-Besuche, mindestens einmal die Langstrasse hinunter zu schlendern, einen gegrillten Cervelat mit Brot zu kaufen und dem Treiben zuzusehen. Es ist immer wieder schön wahrzunehmen, wie und wo ich die Jugendzeit verbracht habe und wie lebendig und lebensvoll dieses Quartier sich immer noch zeigt, obwohl das Kleingewerbe über die Jahre massiv abgenommen hat.
Interview als pdf und gekürzt im AL-Info