Vielen Bürgern wird erst jetzt, im Vorfeld der Volksabstimmung über die Abschaffung der Pauschalbesteuerung, bewusst, welche Steuerprivilegien ausländische Multimillionäre in unserem Land da und dort geniessen. Die kantonale Steuerpraxis grenzt mitunter an Korruption.
Die Pauschalbesteuerung gibt es nur für superreiche Ausländer, die in der Schweiz Wohnsitz haben und hier nicht ein formelles Arbeitseinkommen erwirtschaften. Die Vorzugsbehandlung bedeutet, dass sie nur eine pauschal vereinbarte Steuer auf dem Mietwert ihrer Wohnung versteuern müssen. Maximal wird ein fiktives Einkommen von 400’000 Franken besteuert, selbst wenn dieses mehrere Millionen beträgt. Ausländer hingegen, die in der Schweiz arbeiten und hier Einkommen erzielen, werden steuerlich wie Schweizer behandelt.
Das Steuerprivileg für Multimillionäre und Milliardäre wird an relativ wenigen Standorten angeboten. 80 Prozent der rund 5400 pauschalbesteuerten Ausländer wohnen in den fünf Kantonen Waadt, Genf, Wallis, Tessin und Graubünden – und dort nur an wenigen exklusiven Orten.
Exzess des Kantönligeists beseitigen
Die Kantone Zürich, Schaffhausen, Baselland, Basel-Stadt und Appenzell Ausserrhoden haben die Pauschalbesteuerung nach entsprechenden Volksentscheiden bereits abgeschafft. Es hatte den Wegzug mancher zuvor Pauschalbesteuerter zur Folge, in andere Kantone, was die Absurdität des Steuerföderalismus deutlich machte. Nun zielt die eidgenössische Volksinitiative «Schluss mit den Steuerprivilegien für Millionäre (Abschaffung Pauschalbesteuerung)» darauf ab, diesen Exzess des Kantönligeists landesweit zu beseitigen.
Die von Bürgerinitiativen und Lokalparteien lancierte Volksinitiative geniesst Sympathien bis weit ins bürgerliche Lager hinein. Dass superreiche Ausländer von unserer teuren, gut funktionierenden Infrastruktur und hohen Sicherheit profitieren, ohne einen angemessenen Beitrag daran zu zahlen, ist schlicht stossend. Eine schöne Zahl bürgerlicher Parlamentarier hat die Initiative zu Beginn denn auch offen unterstützt. Inzwischen wurden sie zurückgepfiffen.
Der Bundesrat lehnt die Initiative halbherzig ab mit dem Argument, sie bedeute einen Angriff auf den Föderalismus und die Steuerhoheit der Kantone. Es ändert nichts daran, dass der steueroptimierende Wohnortwechsel von Superreichen das beste Argument für die schweizweite Abschaffung ist. Ein Beispiel: Nachdem der Kanton Zürich die Pauschalsteuer abgeschafft hatte, verlegte der russische Oligarch Viktor Vekselberg seinen Wohnsitz von Zürich nach Zug, wo er bloss eine Pauschalsteuer zahlt. Er hat es in den 90er-Jahren in Russland zu einem Vermögen von 10 Milliarden Franken gebracht und beherrscht mit seinen Aktienpaketen nun die Firmen Sulzer, Saurer, OC Oerlikon, Züblin und Schmolz + Bickenbach. Die Beteiligungen verwaltet er über ein Konglomerat ausländischer Holdings und Trusts, weshalb er in Zug als «Nichterwerbstätiger» gilt und nur gerade seinen «Aufwand» (den Mietwert) versteuert.
Kein sichtbarer Steuerverlust
Bei früheren Volksabstimmungen wurde argumentiert, man brauche solche Superreiche. Ihre Abwanderung würde ein Finanzloch in der Staatskasse hinterlassen. Dieses Argument ist durch die Erfahrung widerlegt. Wie auch im «Tages-Anzeiger» vorgerechnet worden ist, hat kein Kanton nach Abschaffung der Pauschalbesteuerung einen sichtbaren Steuerverlust erlitten. Dies aus zwei Gründen: Erstens ist ein Teil der zuvor steuerprivilegierten Ausländer gar nicht aus ihren Villen ausgezogen. Die Verbliebenen, nunmehr Zahlenden bringen ein Mehrfaches des bisherigen Steuer¬ertrags. Zweitens sind die Villen der Abwanderer nicht leer geblieben. Sie werden jetzt von normalbesteuerten Reichen bewohnt.
Am 6. Mai 2014 erklärte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf dazu im Nationalrat: «Es ist sehr schwierig, anhand der beiden Erfahrungen in Basel-Landschaft und Zürich zu sagen, ob es wirklich zu Mindereinnahmen kommt oder eben nicht.» Und am Sonntag bestätigte sie als Gast in «Giacobbo/Müller»: «Diese Pauschalsteuer ist nicht gerecht.» Hoffentlich nimmt die Westschweizer Presse, die ihre steuerprivilegierten Multimillionäre und Ölscheichs am Genfersee hätschelt, die Erfahrungen der Deutschschweizer Kantone auch mal zur Kenntnis.
Verletzt die Gleichbehandlung im Steuerrecht
Die Pauschalbesteuerung widerspricht nicht nur dem verfassungsmässig verankerten Prinzip der Gleichbehandlung nach Leistungsfähigkeit. Sie führt siedlungspolitisch und gesellschaftlich auch zu einer Monacoisierung der privilegierten Standorte mit Villenboom, Boden- und Liegenschaftsspekulation und Auswüchsen des Baugewerbes. Kein Wunder, dass sich die Gegnerschaft vor allem aus Liegenschaftsmaklern, Steuerberatern und Baufirmen zusammensetzt.
Die Monacoisierung konzentriert sich auf nur wenige Standorte. Im Kanton Bern leben 90 Prozent der Pauschalbesteuerten in der Gemeinde Saanen, zu der Gstaad gehört. Mit dem Effekt, dass Einheimische kaum Chancen auf Bauland und Wohnungen haben. Die Superreichen sponsern dafür das Yehudi-Menuhin-Festival. Damit verbilligt sich die Schickeria freilich die eigenen Tickets. Für das behauptete landesweite Kultursponsoring in Millionenhöhe bleibt sie den Beweis schuldig.
In Graubünden konzentriert sich die Monacoisierung auf Pontresina und St. Moritz; im Wallis auf Verbier, Crans-Montana und Zermatt. In der Waadt und in Genf sorgen die Steuerprivilegierten für einen Villenboom entlang des Genfersees. Der Waadtländer Finanzdirektor Pascal Broulis hat in den letzten 14 Jahren mehr Steuerprivilegien für Private und Firmen gewährt als alle andern Kantone zusammen. Kein Wunder, dass er die Waadtländer Steuerpraxis verbissen verteidigt.
Die Pauschalbesteuerung ist ein doppelter Exzess: einerseits ein Missbrauch des Steuerföderalismus, anderseits eine Verletzung der verfassungsmässigen Gleichbehandlung im Steuerrecht. Ein schwer verständliches Millionärsprivileg. Reiche Ausländer mit Wohnsitz in der Schweiz sollten gleich viel an die gute Infrastruktur zahlen wie jeder normal besteuerte Schweizer und Ausländer auch.
Kolumne von Ruedi Strahm als PDF (Tagesanzeiger 21. Oktober 2014)