Die Umfrage zur gesamtschweizerischen Abschaffung der Pauschalsteuern deutet auf ein knappes Ergebnis hin – zumindest wenn eintrifft, was meist der Fall ist: Eine Initiative verliert im Verlauf des Abstimmungskampfes an Zustimmung. Zumindest, wenn es sich um eine klassische Links-Rechts-Abstimmung handelt. Niklaus Scherr, der eigentliche Vater der Initiative, ist überzeugt, dass es sich um mehr als eine klassische Links-Rechts-Frage handelt, und die Stellungnahme von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf ist dafür typisch. Sie findet die Pauschalsteuer ungerecht, aber zumindest für einige Kantone (darunter ihren Heimatkanton Graubünden) nützlich bis unerlässlich, um genügend Steuern einzunehmen. Bevor ich mich mit dieser Nützlichkeit befasse, eine Bemerkung, die mich wundert: Warum lancieren die GegnerInnen vor allem das Argument, dass bei einem Ja der Mittelstand mehr Steuern bezahlen muss, obwohl dies nachweisbar in den meisten Kantonen nicht zutrifft? Und warum wird mit dem besten Argument der Initiative, dem Föderalismus, kaum geworben? Warum sollen die ZürcherInnen den Berner OberländerInnen oder den EngadinerInnen vorschreiben, wie sie ihre Wohlhabenden zu versteuern haben?
Die Frage nach der Berechtigung der Pauschalsteuer haben sich ein Teil der BefürworterInnen und die zuständigen Steuerämter selber zuzuschreiben. Die Steuer war für Vermögende gedacht, die in der Schweiz ohne Erwerb ihr Alter verbringen und komplizierte Steuerverhältnisse haben. So war die Pauschalsteuer durchaus praktisch, richtig angewandt vermutlich sogar vernünftig und nur bedingt eine Form der Steueroptimierung bis -hinterziehung. Als Personen wie Viktor Vekselberg, alles andere als ein stiller Pensionär, pauschal besteuert wurden, verkam dieses Instrument zu einer simplen Steuerhinterziehungsmechanik. Auch wenn es im Kanton Zürich praktisch nur bedingt zutraf. Es zeigte sich nach der Abschaffung, dass die Steuerämter in vielen Fällen ein gutes Auge hatten. Längst nicht alle Pauschalbesteuerten, die blieben, zahlen heute mehr Steuern.
Dass alle nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden, gehört zu den zentralen Grundwerten unseres Steuersystems. Dieses System wurde durch die rasant sich ausbreitende Pauschalbesteuerung langsam, aber sicher in Frage gestellt. Es ist das Verdienst der Zürcher AL, dass sie dies rechtzeitig erkannte und realisierte, dass es nicht nur die Linken ärgerte, sondern auch viele Bürgerliche. Viele fragten sich, warum der Ausländer in der Nachbarsvilla anders als sie besteuert wird. Er, der ja die gleichen Infrastrukturen genauso viel (oder genau so wenig) benutzte, sollte bei gleichem Einkommen weniger steuern. Auch wenn es wie erwähnt gar nicht immer zutraf, blieb der Verdacht und war vor allem die ständige Zunahme ein Ärgernis: So viele ausländische superreiche RentnerInnen gab es nun auch wieder nicht.
Die Abstimmung in Kanton Zürich endete mit einer leichten Sensation, mit der Annahme der Initiative. Es zeigte sich, dass das Argument des Steuerabflusses nicht zutraf. Zwar sagte ein Teil der reichen Pauschalbesteuerten dem Kanton Zürich adieu, aber in die Villen zogen andere, die konventionell mindestens gleichviel wie die Ausgezogenen versteuerten. Die Einnahmen sanken nicht. Dass derzeit einige Gemeinden an der Goldküste um ihre Finanzen ringen, hängt nicht mit der Abschaffung der Pauschalsteuer zusammen. Und es hat sich auch noch kein Steueramt darüber beklagt, dass die Berechnung der Steuern mit der Abschaffung der Pauschalsteuer übertrieben aufwendig geworden sei.
Das Ja in Zürich und in drei weiteren Kantonen bewirkte zweierlei: Es weckte die Freude der AL an einer schweizerischen Initiative, die diesmal von Anfang an von weiteren Linken eher unterstützt wurde, und es führte dazu, dass die Pauschalsteuern in vielen Kantonen erhöht wurden.
Relevant sind die Pauschalsteuern ehrlicherweise an wenigen Orten. Der Kanton Zürich wurde mit dem Ende der Pauschalsteuer ökonomisch kaum gerechter und er nahm auch von den reichen AusländerInnen gleichviel Steuern ein. Die Villen im Kanton Zürich blieben nicht leer. Und sollte dies langsam doch eintreffen, liegt es daran, dass ein Teil der Immobilienbranche jedes Mass verlor und vergass, dass auch die Reichen sich nicht gerne wie eine Gans bei der Wohnung ausnehmen lassen, nur damit sie allenfalls etwas weniger Steuern bezahlen müssen.
Ein paar Orte in der Schweiz (St. Moritz, Gstaad, Montreux, eventuell auch Zug) würden bei einem Ja Steuergelder verlieren. Und vielleicht auch andere Einnahmen durch das luxuriöse Leben dieser Elite verlieren. Wobei ich nicht die Hand ins Feuer dafür legen würde, dass die eher bejahrten Pauschalbesteuerten die rauschenden Partys feiern.
Ist es gerechtfertigt, zugunsten des Wohls einiger Luxusorte das Prinzip der gleichen Besteuerung für Gleiches zu opfern? Auch wenn es finanziell viel weniger ins Gewicht fällt, als man behauptet, finde ich diese Frage etwas theoretisch.
Oder anders gefragt: Ist der Nutzen der Pauschalsteuer so hoch, dass sich die Aufgabe eines Grundprinzips rechtfertigt? Des Prinzips, dass jeder und jede sich an den Leistungen des Staates nach Massgabe seines Einkommens und Vermögens beteiligen soll und nicht nach dem Massstab, wieviel er allenfalls für sein Leben in seiner Umgebung ausgibt. Wenn Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf die Nützlichkeit vor die Gerechtigkeit (ich würde eher vom Prinzip der gleichen Behandlung von Gleichen sprechen) stellt, hat sie sehr die Bündner Brille an. Dies kann bei aller Liebe zu diesem Bergkanton für die anderen nicht massgebend sein. Wer in der Schweiz leben will, soll akzeptieren, was hier gilt. Und wenn nicht, dann halt wegziehen. Es wundert mich, dass dieses einfache Prinzip gerade unseren Superpatrioten so schwer fällt und warum wir Reiche bei uns wollen, die sich nicht an den Pflichten beteiligen. Damit sage ich ganz bewusst nicht, dass das heutige Steuersystem ohne Pauschalsteuer gerecht ist oder dass ich mir keine andere Progression vorstellen kann. Oder einen anderen Finanzausgleich. Aber ohne Pauschalsteuer werden am gleichen Ort Gleiche immerhin gleich behandelt.
(P.S. 30. Oktober 2014)
Einfaches Prinzip (Artikel als PDF)