Vor zwei Wochen war ich an einem Konzert von Jello Biafra, der als demokratischer Anarchist, wie er sich selber bezeichnet, seit Jahrzehnten unermüdlich die politischen und wirtschaftlichen Machtverhältnisse, in denen wir leben, kommentiert. Biafra rief irgendwann von der Bühne herab: “Vergesst nicht, woher ihr kommt und wer ihr seid!” So kam ich nicht umhin, dort – inmitten von ausgelassenen, Pogo tanzenden Männern und Frauen – auch an uns Linke hier im Gemeinderat zu denken und wofür für einstehen, und an uns als BewohnerInnen der Stadt Zürich und des Landes Schweiz. Und ich nahm mir dort vor, das hier an dieser Stelle zu erwähnen.
Wer sind wir? Die meisten von uns sind nicht wohlhabend. Die meisten von uns sind bis zur Pensionierung auf einen Lohn angewiesen, und darauf, dass sie danach von ihrer Rente leben können. Die meisten von uns zahlen für ihre Behausung eine Miete und machen sich Sorgen, dass sie sich diese irgendwann einmal nicht mehr leisten können. Die meisten von uns müssen sich darauf verlassen können, dass sie medizinisch versorgt werden, wenn sie krank sind, auch wenn sie nicht reich sind. Die meisten von uns könnten sich Schule und Ausbildung für sich und ihre Kinder nicht leisten, wenn sie alles selber bezahlen müssten. Und viele von uns würden versuchen, ihr Glück in einem anderen Land zu suchen, wenn ein Leben hier unmöglich wäre.
Wir leben in einer interessanten Zeit, weil man sich nun endlich wieder ernsthaft überlegt, was man einem Wirtschaftssystem, das ohne Rücksicht auf Verluste den Einzelnen nach Bedarf einsaugt und ausspuckt, dessen mächtigste Exponenten sich nur noch selber bereichern und die den Staat aus nachvollziehbarem Eigennutz möglichst zahnlos sehen wollen, entgegen halten kann. Wirtschaft und Gesellschaft müssen im Wechselspiel funktionieren – das sollte wohl jedem einleuchten, ebenso dass Unternehmen, die ihre soziale und ökologische Verantwortung nicht wahrnehmen, für eine Gemeinschaft wertlos sind. Die 1:12-Initiative war Zeugin eines Anspruchs der Gesellschaft an die Wirtschaft und sorgte zumindest für inspirierende Debatten, die Mindestlohninitiative geht in gewisser Hinsicht in die gleiche Richtung. Es warten bereits Diskussionen um die Einheitskrankenkasse oder das bedingungslose Grundeinkommen auf, ebenso jene um die bundesweite Abschaffung der Pauschalbesteuerung für reiche AusländerInnen. Auch die von der AL lancierte kantonale Initiative für eine bezahlbare Kinderbetreuung will die Wirtschaftsvertreter und –vertreterinnen in die Gesellschaft einbinden.
Vergessen wir also nicht, wer wir sind, wenn wir im Rat sitzen, und für wen wir dort sitzen – wir sind Wesen aus Fleisch und Blut und mit einer Seele ausgestattet. Und wir sind endlich. Wir brauchen gar nicht so viel: Liebe, Gemeinschaft, Respekt und ein paar Sicherheiten wie ein verlässliches Dach über dem Kopf, einen existenzsichernden Lohn und garantierte Versorgung, wenn wir schwach sind.
Vergesst nicht, woher ihr kommt und wer ihr seid!
Vor zwei Wochen war ich an einem Konzert von Jello Biafra, der als demokratischer Anarchist, wie er sich selber bezeichnet, seit Jahrzehnten unermüdlich die politischen und wirtschaftlichen Machtverhältnisse, in denen wir leben, kommentiert. Biafra rief irgendwann von der Bühne herab: “Vergesst nicht, woher ihr kommt und wer ihr seid!” So kam ich nicht umhin, dort […]