Erst kürzlich ist mir eine Medienmitteilung des Zentralvorstandes der Evangelischen Frauen Schweiz (EFS) in die Hände gefallen. In diesem führt der Frauenverband die Gründe an, warum er die Initiative für einen gesetzlichen Mindestlohn von 4000 Franken unterstützt.
Es seien vor allem Frauen, die von Tieflöhnen betroffen sind: Sieben von zehn vollzeit-arbeitenden Personen mit einem Monatslohn unter 4000 Franken (mal 12) sind Frauen. Tiefe Löhne bedeuten Armutsrenten für Frauen im Alter, bringt es der EFS auf den Punkt. Nur wer im Erwerbsleben einen anständigen Lohn erhalte, so der EFS weiter, habe im Alter auch eine existenzsichernde Altersvorsorge. Fazit des EFS: «Ein Ja zur Mindestlohn-Initiative sorgt für mehr Lohngerechtigkeit der Geschlechter.»
Die Stellungnahme der Evangelischen Frauen Schweiz fällt auf. Im Gebrumm vor allem des Männerchors der gutverdienenden Jammerer und professionellen Angstmacher weisen die EFS-Frauen wohltuend unaufgeregt und sachlich auf eine Tatsache hin, die in der Gesellschaft gerne übersehen wird: Leidtragende von Tieflöhnen sind vor allem ältere Frauen.
Ich gönne den Männern ihre guten Löhne. Es scheint, dass Männer ihren Wert gerne über einen hohen Lohn messen. Das ist ihnen unbenommen. Doch wütend macht, wenn diese gut verdienenden Männer mit ihrer Schwarzmalerei (das «erfolgreiche Wirtschaftsmodell der Schweiz» ist gefährdet) und ihren paternalistischen Sprüchen von den «Zweitverdienerinnen», die zum Wohle der Wirtschaft für einen tiefen Lohn arbeiten müssten, eine Angststimmung erzeugen. In der Gewerbezeitung, die kürzlich in alle Haushalte verteilt wurde, drohte ein Arbeitgeber offen, dass er seiner Verkäuferin kündigen müsse, sollte die Mindestlohn-Initiative angenommen werden!
Sind ältere Frauen, sind Verkäuferinnen, Hotelangestellte, Coiffeusen, Hauswirtschafts- und Landwirtschaftsangestellte sowie Reinigungskräfte weniger Wert, frage ich mich? In der Antwort auf eine Anfrage der beiden SP-Kantonsrätinnen Mattea Meyer und Rosmarie Joss schreibt der Regierungsrat, dass im Kanton Zürich 80’000 Personen mit ihrer Erwerbsarbeit weniger als 4000 Franken brutto verdienen. Mehr als ein Viertel (26,8 Prozent) dieser 80’000 Personen sind trotz Erwerbstätigkeit auf staatliche Sozialhilfe angewiesen, von diesen wiederum arbeiten 8 Prozent Vollzeit.
Es kann doch nicht sein, dass erwerbstätige Personen auf staatliche Unterstützung angewiesen sind und Arbeitgeber subventioniert werden! Mit einem kräftigen Ja zur Mindestlohninitiative können wir unsere Wertschätzung für ältere Frauen, Coiffeusen, Verkäuferinnen, Reinigungskräfte, Hotel- und Landwirtschaftsangestellte ausdrücken. Die Schweiz wird dabei garantiert nicht untergehen. Vielmehr ist es ein kleiner Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit.
Ein Mindestlohn sorgt für mehr Lohngerechtigkeit
Führt die Zustimmung zur Mindestlohn-Initiative direkt zum Untergang der Schweiz oder trägt sie zu mehr Gerechtigkeit in unserem Land bei? Über diese Frage wird zurzeit mit allen Mitteln gestritten.