Die „terribles simplificateurs“ (Jacob Burckhardt)
In seinem Werbevideo mit dem bezeichnenden Namen „Simplify“ behauptet Top5 frech, Zürich werde seit vier Jahren von 7 Linksgrünen regiert, das Eigenkapital sei aufgebraucht und die Stadt versinke in einem Schuldenloch von 9.2 Milliarden Franken. Dass Richi Wolff erst seit Juni 2013 dem Stadtrat angehört und vorher dort ein Freisinniger in Amt und Würden war, sollte eigentlich auch den bürgerlichen Wahlverlierern schmerzhaft bewusst sein. Dass das Eigenkapital Ende 2012 noch beachtliche 723 Millionen Franken betrug und alles andere als aufgebraucht war, kann man der Rechnung 2012 (GR 2013/82) auf Seite 52 entnehmen.
Goal schiesst daneben
Das Video stammt, wen wunderts, von der SVP-nahen Dübendorfer Werbeagentur Goal, die mit Fakten und Statistiken schon immer auf Kriegsfuss war, aber auch schon knackigere Kampagnen produziert hat. Vom Tagi mit den Vorwürfen konfrontiert, versprach der Strippenzieher von Top 5, Ex-Gewerbeverbands-Präsident und PR-Hansdampf-in-allen-Gassen, Robert E. Gubler, am 4. Februar „den Fehler umgehend zu beheben“. Nur eben: am 5. Februar um 22h41, als dieser Text verfasst wurde, flimmerten immer noch die gleichen Lügen über den Bildschirm…
Richi Wolff hütet verwaisten Top5-Stand in Oerlikon…
Die Mär von der „Bruttoschuld“…
Und nun zur schröcklichen „Bruttoschuld“ von 9.2 Milliarden Franken. Die existiert tatsächlich. Aber das sind nicht einfach Schulden, denen nichts gegenübersteht. Im Gegenteil: mit einem schönen Teil davon werden Anlagen finanziert, die kostendeckende Erträge in Form von Gebühreneinnahmen und Mieten und zu einem Teil sogar Gewinne abwerfen. Es verhält sich damit wie mit Hypotheken, die ein Hausbesitzer zur Finanzierung seiner Liegenschaft aufnimmt und deren Zinsen er mit den Mieteinnahmen deckt.
… und ewz und Liegi als cash-cow
Top5-Mitkandidat Andres Türler (FDP) z.B. sollte es eigentlich besser wissen. Allein das ewz, für das er als Stadtrat die Verantwortung trägt, verfügt über – stark abgeschriebene – Stromnetze, Kraftwerke und Kraftwerkbeteiligungen mit einem Buchwert von über 1.4 Milliarden Franken, die über diese „Bruttoschuld“ finanziert und über die Gebührenzahlungen der ewz-Kundinnen und –Kunden vollumfänglich verzinst werden. Zudem hat Türlers ewz stolze 869 Millionen Franken Reserven auf der hohen Kante. Nicht anders verhält es sich mit den Anlagen der Wasserversorgung, von ERZ Abwasser und ERZ Abfall.
Oder die städtische Liegenschaftenverwaltung. Sie verfügt über mehr als 10‘000 Mietobjekte mit einem Anlagewert von 3‘296 Millionen Franken, alles über Mieteinnahmen zu 100% refinanziert. Ende 2012 hatten sich bei der Liegi aus den laufenden Mieteinnahmen zudem 949 Millionen Franken Reserven angehäuft, die für Erneuerungen eingesetzt werden können.
Bonus-Geier kreisen über Zürich
In der SVP-Werbung lauert ein rot-grün bemalter Pleitegeier über dem Stadthaus. Schaut man genauer hin, stellt man fest, dass es sich weniger um Pleite- als vielmehr um Bonus-Geier handelt und dass sie eher vom Paradeplatz her im Anflug sind. Wie wir soeben erfahren durften, hatten die Konzernlenker Ermotti und Weber bei der UBS 2013 genug Kohle, dem Kader 3.2 Milliarden Franken Boni auszuschütten (2012 waren es noch 2.5 Milliarden). Bei 3.3 Milliarden Franken Gewinn reicht es auch für eine Milliarde Franken Dividenden an die Aktionäre, die – der Merzschen Unternehmensreform sei Dank – steuerfrei aus Kapitaleinlagen ausgeschüttet werden.
UBS im Steuerstreik bis 2017
Nur für Steuerzahlungen an Stadt und Kanton Zürich blieb auch dieses Jahr, wie schon seit 2008, nichts mehr übrig. Während 7 Jahren kann die UBS nämlich ihre Verluste aus der Finanzkrise von 2007/2008 mit den wieder sprudelnden Gewinnen verrechnen. Eigentlich sollte spätestens 2015 damit Schluss sein. Dummerweise wird die UBS seit 2010 von einer neuen Pechsträhne verfolgt und muss für LIBOR-, Devisen- und eine Reihe von anderen Manipulationen Bussen am Laufmeter befranken. Für „rechtliche, regulatorische und ähnliche Verfahren“, wie das im Banker-Newspeak heisst, haben sich in den letzten vier Jahren nochmals über 5 Milliarden Franken zusammengeläppert. Bussen für unternehmerisches Fehlverhalten, das hat dem Steueramt ein professorales Gutachten bestätigt, gelten selbstverständlich als geschäftsmässig begründeter Aufwand und können steuermindernd vom Gewinn abgezogen werden. Mit dem für sie erfreulichen Effekt, dass die UBS nicht nur bis 2015, sondern bis 2017 in Zürich keine Ertragssteuern bezahlen muss.
Gewusst wie
Wie man Steuern „optimiert“, weiss nicht nur die UBS. Und wie das via Luxemburg funktioniert, weiss nicht nur Bundesrat Schneider-Ammann, sondern zweifellos auch SVP-Parteipräsident Roger Liebi. Schliesslich ist er seit neun Jahren als Prokurist im private banking für vermögende Grosskunden für die skandinavische Nordea-Bankengruppe, genauer für die Zürcher Niederlassung der Nordea Bank S.A., Luxemburg, tätig. Ob dort demnächst auch Kontingente eingeführt werden?
P.S. 1: Die Flop5-Pfuscher haben das Video mittlerweile korrigiert resp. verschlimmbessert. Das aufgebrauchte Eigenkapital und auch die 9.2 Milliarden Franken Bruttoschulden sind verschwunden. Dummerweise ist bei der Korrektur der Zürcher Stadtrat neu auf 7 Sitze geschrumpft, wovon 5 Linksgrüne.
P.S.2: Nachdem der Pfusch komplett ist, haben ihn die Macher kurz danach definitiv vom Netz genommen… Top5 wirbt mit falschen Angaben (Tagesanzeiger 5. Februar 2014)
Niggis Wahlblog: Top5 – Können die eigentlich rechnen?
Wie der Tagesanzeiger in der Printausgabe vom 5. Februar meldet, operiert „Top5“, das Bürgerblock-Päckli für die Stadtratswahlen, mit falschen Angaben und falschen Zahlen.