„Linksradikal und viel zu lieb. So einer ist Polizeivorsteher von Zürich? Ein halbes Jahr mit Richard Wolff“: Miklos Gimes hat Richi Wolff während sechs Monaten auf seinem Marsch in die Institution Stadtpolizei begleitet und unterm Titel „Wolffs Revier“ einen farbigen Erlebnisbericht im MAGAZIN des Tagesanzeigers veröffentlicht.
Wolff: „Ich schätze Leute, die sich getrauen, unbequem zu sein“
„Würdest du Asylbewerber gegen ihren Willen ausschaffen?“, frage ich Wolff bei unserem letzten Gespräch.
„Ich muss sie nicht ausschaffen“, antwortet er, „das ist Aufgabe der Kantonspolizei. Aber wenn ein Auftrag demokratisch beschlossen wurde, muss ich ihn ausführen. Wir leben in einem Rechtsstaat. Allerdings gibt es Kantone, die fast nie ausschaffen, die Unterschiede sind gross. Da sind wir wieder bei der Frage nach dem Spielraum.“ Ich dachte an unser Gespräch nach der Veranstaltung in der Roten Fabrik, als Wolff gesagt hatte, man könnte ihm vorwerfen, er hätte die Seite gewechselt. „Vor dreissig Jahren war Polizeivorstand Frick an meiner Stelle. Was ist seither passiert? Die Politik hat sich verändert, die Mehrheitsverhältnisse, aber reicht das schon?“, habe er sich gefragt. „Ich schätze Leute, die sich getrauen, unbequem zu sein, wie die umstrittene Ursula Koch oder der ehemalige Stadtrat Ruedi Aeschbacher, der gegen alle Widerstände in Zürich den Verkehr gebremst hat. Ich will Einfluss nehmen“, sagt Wolff fröhlich und nimmt einen Schluck Wasser.
(MAGAZIN 7. Dezember 2013) “Wolffs Revier” (Porträt im TA-Magazin von Miklos Gimes, 7. 12. 2013, Print)”Wolffs Revier” (Porträt im TA-Magazin von Miklos Gimes, 7. 12. 2013, Web)
Landzeitungen: Wolff beantwortet kritische Fragen zur Milieu-Affäre
In Zentrum des Interviews mit den Landzeitungen steht die Bewältigung der Chillis-Affäre, die Mitte November mit der Verhaftung von fünf Sittenpolizisten hohe Wellen geworfen hat. Kurz nach Erscheinen des Interviews wurde bekanntgegeben, dass der Kommandant in Absprache mit dem Polizeivorsteher beschlossen habe, die beiden noch Inhaftierten zu entlassen und die drei inzwischen Freigelassenen zu versetzen.
In den letzten Wochen sind Vorwürfe gegen Angehörige der Sittenpolizei öffentlich geworden: Angeblich haben sie sich im Milieu bestechen lassen und dafür unter anderem interne Informationen preisgegeben. Das bestätigt doch Ihre skeptische Haltung.
Wolff: So einfach ist das nicht. Ich will die Vorfälle nicht verharmlosen, aber ich lasse mich auch nicht aus der Ruhe bringen. Störungen gibt es in jedem Betrieb, vor allem, wenn er so gross ist wie die Stadtpolizei. Mit meiner generellen Einschätzung der Polizeiarbeit haben sie nichts zu tun. Jetzt schauen wir genau hin, dann entscheiden wir, was zu tun ist.
Der Ausdruck «Polizeiskandal» ist aus Ihrer Sicht also nicht zutreffend?
Genau. Vor allem zu Beginn einer solchen Angelegenheit kursieren viele Spekulationen und Gerüchte. Da muss man vorsichtig sein.
Zerschlagen haben sich die Vorwürfe bisher nicht. Müsste die Polizei als Inhaberin des staatlichen Gewaltmonopols nicht eine absolut weisse Weste haben?
Klar, diesen Anspruch muss man haben. Und gerade dieser Fall zeigt doch gut auf, dass wir den Betrieb innerhalb der Polizei genau beobachten, kontrollieren und bei Hinweisen aktiv werden.
Heisst das, unter diesen Umständen sind ein paar Beamte, die den Versuchungen des Milieus erliegen, für den Grossbetrieb Stadtpolizei verkraftbar?
So will ich das nicht verstanden haben. Natürlich darf so etwas nicht passieren. Aber wenn es doch geschieht, muss man hinschauen, daraus lernen und die nötigen personellen sowie organisatorischen Konsequenzen ziehen.
Werden Sie Mitarbeiter entlassen?
Mögliche personelle Massnahmen werden diskutiert. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen.
Nehmen Sie nun auch andere Bereiche der Polizei unter die Lupe?
Dazu gibt es keinen Anlass.
Wie wirkt sich die Affäre auf das Image der Polizei aus?
Gut tut sie dem Image sicher nicht. Ob der Polizei daraus aber tatsächlich ein Schaden entsteht, kann man vor Abschluss der Untersuchungen nicht sagen. Ich lege nun grössten Wert auf eine konsequente und transparente Aufarbeitung. Die Leute sollen sehen, dass wir aktiv sind und das Vertrauen in die Polizei rechtfertigen.
Schaden nehmen kann auch Ihr eigenes Image als politisch Verantwortlicher des Departements. Die FDP stellt bereits Ihre Führungsqualitäten in Frage .
Die Ursprünge dieser Geschichten liegen fast ausnahmslos vor meiner Zeit. Ich war daran also nicht selbst beteiligt. Beteiligt bin ich jetzt aber an der Aufdeckung und Aufarbeitung. Hier kann ich meine Qualitäten unter Beweis stellen, und das kann eher zur Stärkung meiner Position beitragen.
In der Öffentlichkeit ist das aber kaum sichtbar. Die Kommunikation überlassen Sie gerne dem Polizeikommandanten und Ihrem Sprecher.
Das stimmt so nicht. Gleich zu Beginn habe ich öffentlich gesagt, dass wir die Sache untersuchen, dass es keine Vorverurteilung gibt und die Unschuldsvermutung gilt. Ich äussere mich wieder, wenn man mehr Substanzielles weiss.
Haben Sie Angst davor, sich im anlaufenden Wahlkampf an diesem heissen Eisen die Finger zu verbrennen?
Nein, ich werde mich bestimmt vor den Wahlen noch zu diesem Thema äussern. Für die laufenden Abklärungen ist die Strafverfolgungsbehörde zuständig. Ich bin mit dem Kommandanten im ständigen Kontakt. Wir arbeiten gut zusammen, er hat mein vollstes Vertrauen.
Die Bestechungsvorwürfe datieren vom Herbst 2012. Kommandant Daniel Blumer sagt, er habe schon im Mai 2013 davon erfahren – noch bevor er im Amt war. Wann hat man Sie ins Bild gesetzt?
Im ersten Monat nach meinem Antritt hat mir Daniel Blumer gesagt, dass es in der Abteilung Milieu- und Sexualdelikte Unstimmigkeiten gebe und dass diese untersucht würden. Mehr habe ich zu jenem Zeitpunkt nicht gewusst.
Haben Sie es nicht nötig gefunden, sich näher zu informieren?
Ich habe die weiteren Abklärungen bewusst dem Kommandanten überlassen. Er hat mich laufend aufdatiert, sobald es neue Erkenntnisse gab.
Involviert sind zwei Drittel der 17-köpfigen Sittenpolizei. Hätten Sie den Fall angesichts seiner Tragweite nicht zur Chefsache machen müssen?
Chefsache war und ist es zu wissen, dass etwas unternommen wird und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet ist. Jetzt laufen deren Ermittlungen. Es ist also alles korrekt abgelaufen.
Die politische Verantwortung liegt aber bei Ihnen.
Natürlich. Darum bin ich auch in engem Kontakt mit dem Kommandanten.
Das ganze Interview (Limmattaler Zeitung 7.12.2013)