Sonntagszeitung: Wie haben Sie sich als Linksalternativer bei der Polizei eingelebt?
Richard Wolff: Ich war schon sehr positiv überrascht, wie offen ich aufgenommen wurde. Vorbehalte habe ich eigentlich keine gemerkt. Aber natürlich wird es diese geben.
Besonders Ihre Äusserung, dass Sie sich mehr Secondos im Polizeikorps wünschen, warf hohe Wellen.
Das hat viele Reaktionen ausgelöst. Aber das ist eine Diskussion, die seit Jahren geführt wird. Die vorherrschende Meinung im Korps ist: Wenn man so integriert ist, dass man Polizist bzw. Polizistin werden kann, dann kann man sich auch einbürgern lassen. Ich habe den Wirbel so nicht erwartet.
Wie erklären Sie sich das?
(überlegt …) Offensichtlich trifft es etwas ganz tief Emotionales, dass man für den Polizeiberuf den Schwei-zer Pass verlangt. Der Pass scheint eine Art Beleg dafür zu sein, dass man voll zur Schweiz steht. Vielleicht geht es auch um Konkurrenzangst und um das Gewaltmonopol. Man kann diese Diskussion sicher weiterführen.
In welchem Rahmen?
Anfang nächsten Jahres starten wir eine neue Rekrutierungskampagne.
Welche Formen hat diese Aktion?
Es handelt sich um eine multimediale Kampagne. Das Ganze läuft unter dem Titel Diversity Management. Dabei wollen wir den Schwerpunkt auf drei Gruppen legen: Zum einen sollen speziell die Frauen angesprochen werden. Den Frauenanteil bei der Polizei zu erhöhen, ist ein altes Ziel. Zudem stehen Personen mit Migrationshintergrund im Fokus. Drittens wollen wir Leute anwerben, die entweder in Zürich aufgewachsen sind oder in Zürich leben. Damit stossen wir übrigens auf den grössten Widerstand.
Weshalb?
Als Antwort kommt von der Polizei zurück: «Schon gut, aber wir finden keine Wohnung in Zürich.»
Das ist verständlich. Können Sie da was ausrichten?
Als Stadtratsmitglied kann ich auf die räumliche Entwicklung der Stadt Einfluss nehmen und die Wohnungsbauförderungspolitik vorantreiben. Aber eine Polizistenquote für Wohnungen gibt es nicht.
Sie haben sich auch offen dafür gezeigt, Ausländer im Korps einzustellen.
Das stimmt nicht. In unserer Kampagne steht klar «Schweizer Pass vorausgesetzt». Aber es ist ja auch denkbar, als Ausländer die Ausbildung zu beginnen und bis zu deren Abschluss das Schweizer Bürgerrecht zu erhalten. Das ist noch nicht ausdiskutiert. Die Kampagne wird länger laufen.
Warum sind Ihnen Secondos und der Frauenanteil so wichtig?
Die Polizei soll ein Spiegelbild der Gesellschaft sein. Der Frauenanteil bei der Polizei beträgt rund 25 Prozent. Der Anteil mit Migrationshintergrund wurde bisher nicht erhoben. Und «sichtbarer Migrationshintergrund», das wäre ja schon ein heikles Kriterium. Da kommt man in eine schwierige Diskussion hinein. Mir geht es um eine generelle Stossrichtung im Sinne der Akzeptanz. Das Ziel besteht darin, dass man an der Langstrasse beispielsweise auch dunkelhäutige Polizeiangehörige antrifft, die Kontrollen durchführen. Diese haben vielleicht auch etwas mehr Verständnis dafür, wie es ist, anders auszusehen.
Das ganze Interview als PDF (Sonntagszeitung 10. November 2013)
Frontseite der Sonntagszeitung vom 10. November 2013
Bericht 20 Minuten (11. November 2013)
Bericht Tagesanzeiger (11. November 2013)