(Dayana Mordasini) Die Überraschung war gross, als dem neu gewählten Stadtrat Richard Wolff das Polizeidepartement übertragen wurde. Das Wunschdepartement war es nicht, doch 100 Tage nach seinem Amtsantritt an der Pressekonferenz vom 17. September hat er deutlich gemacht: Er ist im Amt angekommen und fühlt sich auch wohl dabei. Unkenrufen zum Trotz hat er seine Sache bisher sehr gut gemacht. Wer kann schon von sich sagen, dass er gerade am allerersten Arbeitstag an einer neuen Arbeitsstelle eine heikle Aufgabe zu lösen hat?
Wie war das für dich, vor die Medien zu treten und Bilanz zu ziehen?
Ich war nervös vor der Pressekonferenz. Weniger in Bezug auf das, was ich sagen wollte, da fühlte ich mich sicher, nervös eher in Bezug auf die Fragen, die kommen würden. Ich war dann erleichtert zu sehen, dass die Medien fair sind, dass ich als gewählter Vertreter anerkannt bin und dass sie nicht mehr darauf aus sind, mich in die Pfanne zu hauen, wie das während des Wahlkampfs schon zu spüren war.
Was ist die grösste Veränderung in deinem Leben, seit du Stadtrat bist?
Die Arbeitszeit und die Kadenz der Ereignisse haben deutlich zugenommen. Auch abends und teilweise am Wochenende ist meine Präsenz erwünscht. Einmal pro Woche gehe ich die Berge von Einladungen durch und entscheide, was interessiert mich, wo ist meine Anwesenheit zwingend, wo ist meine Präsenz von strategischer Wichtigkeit. Gezielt auszuwählen ist eine grosse Herausforderung, nein zu sagen ebenso, denn es ist mir wichtig, dass ich fit bleibe, ein ausgebrannter Stadtrat nützt niemandem.
Wie ist das jetzt mit den Kleidern? Ist dieser äusserliche Veränderungsprozess ganzheitlich oder kommst du auch hin und wieder mit den knallgrünen Hosen ins Büro?
Die grünen Hosen trage ich noch. Es gibt schon Anlässe, an denen man auffällt, wenn man keine Krawatte trägt, aber für mich ist es eher ein Zeichen, es könnte doch auch legerer sein. Kleidung ist aber auch ein Zeichen des Respekts, Rücksicht auf Traditionen und Sensibilitäten anderer. Mein Auftreten und damit auch mein Äusseres ist Teil meines Amtes. Zudem erleichtert es mir den Zugang zu anderen, denn durch Entgegenkommen im äusserlichen Auftritt, kann ich meine inneren Werte bewahren, da ich nicht aufgrund meiner Kleidung beurteilt werde und meine Kompetenz doppelt beweisen muss. Ich bin der Chef und der Chef darf zwar fast alles, aber indem ich meine Garderobe erweitert habe, zolle ich Respekt gegenüber diesem Amt, von dem die Repräsentation ein wesentlicher Teil ist.
Chef sein, was heisst das, wie hast du dich eingelebt?
Ich habe die letzten dreissig Jahre in Kollektiven gearbeitet, wichtige Entscheide sind im Diskurs, im Kollektiv gefallen. Jetzt kann und muss ich entscheiden. Ich stelle viele Fragen an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich weiss nicht, wie meine Vorgänger gearbeitet haben, aber ich habe das Gefühl, dass es geschätzt wird, wenn ich Fragen stelle und ermutige, ebenfalls Fragen aufzuwerfen. 80% der Entscheide werden von anderen vorgeschlagen, der Rest sind politisch brisante Themen und Grundsatzentscheide, die ich genauer anschaue. Die Herausforderung hier: die heiklen Themen auch erkennen, realisieren, wo mehr Fingerspitzengefühl nötig ist.
Kreativ bin ich vor allem am Abend oder beim Spaziergang an der Limmat, dann entwickle ich Visionen für strategische Vorgehensweisen. Kreative Ideen müssen umsetzbar sein, Prozesse vorhergesehen werden, die einzelnen Schritte genau durchgedacht werden. Ich bin immer noch daran, mein Spielfeld kennenzulernen: Wo sind die Grenzen, was kann ich bewegen, was sind die Konsequenzen, wo kann und will ich Einfluss nehmen? Einfluss bedeutet aber auch Verantwortung: wem kann ich wo die Verantwortung übergeben, in welchen Bereichen überlasse ich es anderen? Wenn ich meinen Spielraum kenne, kann ich dort meine Ideen und Visionen in Zusammenarbeit mit meinen Leuten verwirklichen. Konzentration auf das Wesentliche und das Richtige ist mir wichtig. Dafür lasse ich mir Zeit.
Das Wolff-Interview als PDF (AL-Info Oktober 2013)