Ich bin in einer kinderreichen Familie aufgewachsen. Es ist mir noch in lebhafter Erinnerung, wie meine Eltern die letzten Rappen zusammenkratzten, um uns die Teilnahme an einem Schullager zu ermöglichen. Darf die Schule Luxus sein?
Ungerechte Gebühren
Ende April wurde die kantonale Volksinitiative «Für die öffentliche Bildung (Bildungsinitiative)» lanciert (PS vom 10. Mai 2013). Für die InitiantInnen ist sie eine Antwort auf die ständige Erhöhung der Gebühren an Fachhochschulen, Universitäten und ETH. Als die Universität Zürich 2009 die Studiengebühren verdoppeln wollte, protestierten die Studierenden und stoppten so das Vorhaben. Trotzdem wurden die Semestergebühren letztes Jahr erhöht. Heute bezahlen inländische Studierende rund 1540 Franken (inklusive obligatorischer Beitrag für Bibliothek und akademischer Sportverband). Dies kann gut und gern zehn Prozent eines studentischen Jahresbudgets ausmachen. Bei Lehrlingen und Lehrtöchtern belastet vor allem das Schulmaterial die schmalen Budgets. Schulausflüge und Lager in der Volksschule können ein grosses Loch ins Monatsbudget finanziell schwächer gestellter Familien reissen. Das war nicht nur in meiner Kindheit so, sondern das erlebe ich als Schulpflegerin im Kreis 4 auch heute noch ständig.
Gebühren und Kosten, die mit dem Besuch einer Bildungsinstitution anfallen, belasten Personen mit tieferen Einkommen massiv stärker als solche mit hohen Einkommen. Man könnte nun einwenden, dass der Staat in solchen Fällen ja Stipendien ausrichtet. Stipendien sind aber nicht dazu da, um die Erhöhung von Studiengebühren zu legitimieren. Vielmehr sollen sie einen Beitrag zur Deckung der Lebenshaltungskosten leisten.
Inhalt der Initiative
Die Bildungsinitiative verlangt einen Zusatz von Artikel 115 (Bildungswesen) der Kantonsverfassung, welcher den kostenlosen Besuch der öffentlichen Bildungseinrichtungen des Kantons Zürich für alle im Kanton wohnhaften Kinder und Jugendlichen, Frauen und Männer garantiert. Auch Schullager, Ausflüge und Lehrmittel der Volks-, Berufs- und Mittelschulen sollen kostenlos sein. Dies gilt auch für den freiwilligen Musikunterricht an den Mittelschulen (heute 640 Franken pro Semester) und den Besuch des Spezialgymnasiums für Sport und Kunst (heute 1400 Franken jährlich). An Universitäten und Fachhochschulen sind mit der Änderung weder Einschreibe-, Semester- noch Prüfungsgebühren zu bezahlen. Im Gegensatz zu den Berufs- und MittelschülerInnen sollen die Studierenden aber ihre Bücher und Hilfsmittel weiterhin aus dem eigenen Sack berappen. Dies auch, weil die Uni-, Instituts- und Zentralbibliotheken einen unschlagbaren, kostenlosen Service bieten. Ausgenommen von der Gebührenbefreiung ist vorerst noch die berufsorientierte Weiterbildung. Das übergeordnete Bundesgesetz lässt eine Konkurrenz der öffentlichen Bildungseinrichtungen zu tieferen Preisen gegenüber den privaten nicht zu.
Bildung ist keine Ware, die kostendeckend verkauft werden muss, sondern sie ist ein öffentliches Gut und eine Investition der Gesellschaft in die Zukunft. Für ein ressourcenarmes Land wie die Schweiz sind öffentliche und kostenlos zugängliche Bildungsangebote für alle wichtig. Sozial durchmischte Bildungsinstitutionen erbringen kreativere Forschungsergebnisse. Bildung ermöglicht kritisches Denken und ist Grundlage dafür, dass unsere Demokratie funktionieren kann.
(P.S. 6. Juni 2013)
Die Initiative wird unterstützt von: Verband der Studierenden der Universität Zürich (VSUZH); kritische Politik Universität Zürich (kriPo); Juso; Junge Grüne; AL; Kommunistische Jugend Zürich (KJZ); Partei der Arbeit Zürich (PdAZ); Piratenpartei Zürich (PPZH); VPOD Region Zürich und Gruppe Universität Zürich; Chaos Computer Club Zürich (CCCZH); Vereinigung Unabhängiger Ärztinnen und Ärzte (VUA).
Unterschriftenbogen und weitere Infos auf www.bizh.ch .