(ns) Familie Schoch ist hocherhobenen Hauptes aus der Binz abgezogen und hat alle verbalen Steineschmeisser von rechts ins Leere laufen lassen. Mit ihrem Umzug ins besetzte Koch-Areal zu den Familien Wucher und Zauber kommunziert sie gleichzeitig klar: „Wir sind weg und trotzdem bleiben wir. Wir haben viel zu tun.“ Ein grosses Aber bleibt: im Prinzip hat der Kanton sein Ziel eines Abbruchs auf Vorrat erreicht. Wie aus dem veröffentlichten Regierungsratsbeschluss vom 22. Mai hervorgeht, ist noch nicht mal der Baurechtsvertrag mit Abendrot unterschrieben. Auch herrscht keine Klarheit über die genauen Kosten des Abbruchs, d.h. möglicherweise ist noch nicht einmal die dafür erforderliche Submission und Arbeitsvergabe erfolgt. Gemäss Unterlagen rechnet der Studienauftrag von Abendrot im optimistischen Fall mit einem Baubeginn im Oktober 2014. Nach dem Abbruch ist also während mindestens sechs Monaten – wenn nicht länger – mit einer ungenutzten Brache zu rechnen. Das alles ohne Not, als rein politische Machtdemonstration aus dem Kaspar-Escher-Haus.
In der Binz stehen sich zwei für die AL gleichermassen wichtige Anliegen – autonom gestaltbare Freiräume und bezahlbarer Wohnraum – unversöhnlich gegenüber. Ausgerechnet hier hat sich der Kanton erstmals entschlossen, ein Grundstück nicht einfach dem Meistbietenden zu verhökern, sondern zu tragbaren Konditionen für ein sinnvolles Wohnprojekt abzutreten. Möglicher- und paradoxerweise haben die erfolgreiche Besetzung und die kreativen Aktionen der Familie Schoch mit dazu beigetragen, ein rein spekulatives Bauprojekt zu verhindern – allerdings um den Preis, dass den Besetzern selber damit der Teppich unter den Füssen entzogen worden ist.
Kein Abbruch auf Vorrat
Auch wenn sich autonome Freiräume nicht über einen bestimmten Zeitraum hinaus halten lassen, zentral bleibt auf jeden Fall die Forderung, dass nutzbare Gebäude nicht auf Vorrat abgerissen oder komplett unbenutzbar gemacht werden dürfen (wie es etwa mit der im Februar 2012 vorsorglich geräumten Landolt-Ruine der Fall ist). Intakte Räume sollen genutzt und nicht leer gelassen werden. Das hat die AL-Fraktion am vergangenen Mittwoch in einer Erklärung betont ( Bericht im P.S. vom 6. Juni 2013
Bericht in der WoZ vom 6. Juni 2013
Das Abschiedsgeschenk der Familie Schoch: ein 7 Meter hoher Stern, ein Korb mit Papier-Mache-Früchten und eine Mega-Magnum-Sektflasche für “einen prickelnden Abbruch auf Vorrat”.
Mail der Familie Schoch vom 31. Mai 2013
“Die Show fällt aus. Wir sind gegangen.
Für alle, die schon beim Helikoptertraining waren, Titelseiten reserviert haben, sich seit Tagen und Wochen die Zungen wetzen, für die nächste baugenossenschaftliche Sitzung oder den Stammtisch, hier ein paar Stichworte:
An diejenigen, die uns an die Wand stellen und abknallen oder mit Gülle bewerfen wollen: Es freut uns zu wissen wer unsere Feinde sind. Nein, wir wollen es nicht allen recht machen. Wir besetzen Häuser und schaffen selbstbestimmte Freiräume genauso für alle, die das gut finden, wie für alle, die das nicht gut finden.
In einer Stadt, die zunehmend von Profitdenken, Sicherheits- und Sauberkeitswahn dominiert wird, haben wir sieben Jahre lang ein Areal belebt, das Tag und Nacht ohne Schloss und Riegel offen stand.
Die linke parlamentarische Politik und Institutionen, die aus früheren aktivistischen Bewegungen hervorgegangen sind, hegen zwar gewisse Sympathien für unsere Anliegen, nichtsdestotrotz hat die meisten der Mumm verlassen, sich für autonome Freiräume auszusprechen. Stattdessen streben viele wohlmeinend an, den Wildwuchs durch Zwischennutzungen und legale Kulturprojekte zu befrieden. Gleichzeitig lassen sie sich Teile ihrer Agenden von Kapitalinteressen oder rechtspopulistischer Propaganda aufbrummen, wie sich an Aufwertungsstrategien oder der Flüchtlingsfrage zeigt.
Die Repression und der Ausschluss von allen und allem, was nicht einem makellosen Marketing orientierten Image der Stadt entspricht, wird immer vehementer und gewaltsamer. Was uns betrifft, so werden wir immer mal wieder geduldet, solange unser Tun als Lifestyle verkauft werden kann.
Nicht, dass wir hier falsch verstanden werden: Auch wir haben gern ein schönes Leben. Wir verstehen darunter ein gemeinschaftliches Leben an einem Ort, den wir in allen Belangen selbst gestalten und bestimmen können. Und das in einer Stadt, in der das Leben nicht verreguliert und vermeintlich zu unserem Wohl dauerüberwacht und -kontrolliert wird.
Zurück zur Binz: Sobald die Stiftung Abendrot, zusammen mit externen Beratern, mit dem Kanton anbändelt, finden es beinahe alle in Ordnung, dass die Binz mindestens ein halbes Jahr zu früh abgerissen wird. Und wenn wir im Gegenzug, auf der Notwendigkeit der Existenz von selbstbestimmten Freiräumen beharren, heisst es schlicht: mit diesen Leuten kann man nicht Reden.
Wir haben mit Communiqués und diversen Aktionen auf unsere Anliegen aufmerksam gemacht und sind auf die Strasse gegangen. Dabei hat es geknallt und seither sind wir kriminell.
Apropos kriminell: Zugegeben, es ist nicht einfach um die Ecke zu denken, deshalb hier ein kleiner Hinweis: Auch Kriminalität ist eine Frage des Standpunkts. Aus unserer Sicht ist der Prime Tower und was er repräsentiert ernsthaft kriminell.
Wie auch immer. Wir sind weg und trotzdem bleiben wir. Und wenn in ein paar Monaten das Binz-Areal Platteneben abgerissen ist und daraufhin mindestens ein halbes Jahr lang irgendwie zwischengenutzt oder teuer bewacht werden muss, dann ist das nicht unser Problem.
So das wars. Wir haben viel zu tun.
P.S. und vielen Dank an alle, die uns die letzten 7 Jahre immer wieder auf die unterschiedlichsten Arten unterstützt haben …”