Nachstehend ein paar Auszüge:
Markus Spillmann: Eine Wahl nicht ohne Qualen
“Während die SVP-Leitung mit Argusaugen das bürgerliche Profil Camins beäugt und ihn als «wählbar» taxiert hat, ist die SP-Spitze beunruhigt über den erstaunlichen Erfolg des Underdogs von ganz links im ersten Wahlgang. Entscheidend aber ist die jeweilige Parteibasis: Vor allem für Camin gilt, dass er es nur dann ins Ziel schaffen kann, wenn er alle bürgerlichen Stimmen – auch die der ungeliebten SVP – auf sich zieht. Verbreitete Wahlabstinenz wie im ersten Wahlgang wäre für seine Ambitionen fatal.
Wäre das für Zürich ein Nachteil? – Wir meinen ja.
Nicht, weil der Kandidat zur Rechten in den letzten Wochen bewiesen hätte, ein besonders begnadeter und profilierter Wahlkämpfer zu sein. Nicht, weil dessen Kür zum verbleibenden Spitzenmann des Freisinns nicht frei von unschönen Nebengeräuschen blieb. Nicht, weil man es ihm anders als seinem Vorgänger, dem Finanzvorsteher, einfach so zutrauen würde, sich gegen die linke Vormacht in der Regierung ab und zu auch durchzusetzen. Nein, Kante ist nicht Camins Stärke.
Wählen ist immer auswählen, wobei auch Stimmabstinenz ein durchaus legitimes, in diesem Fall aber törichtes Verhalten wäre. Das satte Drittel bürgerlich eingestellter Bürger in dieser Stadt sollte alles Interesse an einer angemessenen Repräsentation liberaler Positionen auch in Zürichs Regierung haben. Camin ist angetreten, diese Verantwortung zu schultern. Er verdient die Chance, zu beweisen, dass er ihr auch gerecht wird.”
Man wird den Eindruck nicht los, dass da einer gewaltig herumeiert. Ein online-Kommentator bemerkt treffend dazu:
“Ich bewundere Herrn Spillmann: Wenn man bei zwei Kandidaten am besten das Los ziehen würde, weil auf der Waagschale kein Entscheid zu fällen ist, dann ist es schwer, für einen glaubhaft eintreten zu müssen. Eine Möglichkeit liegt dann in vielen Worten, und an denen hat Herr Spillmann wahrhaft nicht gespart. Wäre ich Zürcher, wüsste ich aber auch nach zweimaligem Durchlesen nicht, wen ich nun wählen sollte.
Ich gönne Herrn Spillmann wirklich, wenn er sich nach den Wahlen mit Themen beschäftigen darf, die ihm mehr am Herzen liegen, und weniger mit Pflicht zu tun haben.”
Christina Neuhaus: Kampf gegen die Gleichgültigkeit
“Im zweiten Wahlgang für den neunten Zürcher Stadtratssitz muss der bürgerliche Kandidat besser mobilisieren
Sicher ist nur, dass die Bürgerlichen angesichts der politischen Verhältnisse in Zürich ziemlich gut mobilisieren müssen, wenn sie ihren Kandidaten ins Stadthaus bringen wollen. Wie etwa die Wahl von Corine Mauch oder von Ruth Genner zeigten, pflegen in Zürich Rote und Grüne bei Ersatzwahlen mit nur zwei Kandidaten mehr Stimmen zu machen als die Bürgerlichen: Beide schnitten besser ab als ihre Herausforderer.
Für den FDP-Kandidaten, Marco Camin, ist es deshalb von enormer Bedeutung, dass er neben den bisher Unentschlossenen auch die Wähler von SVP und Grünliberalen an Bord holen kann. Schafft er das nicht, könnte er seinen Vorsprung verlieren, und dann holt sich im Wirtschaftszentrum Zürich der Aussenseiterkandidat der Alternativen Liste den zweiten Sitz des einst tonangebenden Freisinns.”
Markus Spillmann: Eine Wahl nicht ohne Qualen (NZZ 6. April 2013)
Christina Neuhaus: Kampf gegen die Gleichgültigkeit (NZZ 6. April 2013)