Aufschlussreiche Kommentare bringen die Wochenzeitungen P.S., WoZ, Schweiz am Sonntag und Weltwoche.
Moderat selbstkritische Töne von Koni Loepfe
SP-Gemeinderätin Linda Bär betitelt ihre P.S.-Kolumne enthusiastisch “Züri isch eus!”. Gewerkschaftsbund-Präsidentin Julia Gerber Rüegg schreibt: “Du hast das Undenkbare und Unmögliche geschafft! (…) Sicher ist die Wahl eines siebten linken Stadtrats in die 9-köpfige Exekutive ein unübersehbares Zeichen, dass es brodelt im Volk.”
Selbst P.S.-Redaktor und Ex-SP-Präsident Koni Loepfe streut ein wenig Asche auf sein Camin-Haupt und gibt seinem Kommentar den Titel “Ein grosser Sieger”: “Es ist schön, in einer Stadt zu leben, in der es eine kleine AL schafft, einen Stadtrat zu erringen, und die grosse SVP darauf seit mehr als 20 Jahren vergebens wartet. Selbst wenn das nicht immer kluf und weise ist.
Nach dem Rücktritt von Martin Vollenwyder schrieb ich, dass eine AL-Kandidatur, die nicht Markus Bischoff heisst, keine Chance habe und höchstens für etwas Betrieb sorgen könnte. Ich habe mich klar geirrt. (…) Der AL gelang es – dies als einer der Gründe für den Erfolg – ein Wahlteam aufzustellen, das wirklich kämpfte und nur kurz nach dem ersten Wahlgang eine Erholungszeit benötigte.”
Harte SP-Schelte in der Wochenzeitung (WoZ)
WoZ-Redaktor Kaspar Surber geht mit der SP hart ins Gericht:
“In den Kommentaren ist nun die Rede von der Niederlage der FDP, die innerhalb kurzer Zeit zwei ihrer Sitze verloren hat, sodass die vereinigte Linke nun sieben von neun Sitzen hält. Doch taktisch ebenso verloren hat die SP.
Die SP der Stadt Zürich wirkt wie die CVP Appenzell Innerrhoden: nur auf die Sicherung der eigenen Macht und lukrativer Jobs aus.
Dabei könnte gerade die Zürcher SP von Wolff lernen, wie man heute Wahlkampf macht: Er setzte klar auf inhaltliche Themen, war ständig auf der Strasse präsent, finanzierte seine Plakate und Inserate durch Crowdfunding. Und die Alternativen agierten als Kollektiv. Wolff gelang es, selbst in den SVP-Hochburgen zu punkten: Im Kreis 11 – Oerlikon, Seebach, Affoltern – konnte er im zweiten Wahlgang bei etwas tieferer Wahlbeteiligung rund 900 Stimmen zulegen, während Camin fast stagnierte. Wolffs Erfolg zeigt auch dies: wie die Linke in den scheinbar an die SVP verlorenen Quartieren wieder gewinnen kann.”
Schwank in 5 Akten in “Schweiz am Sonntag”
In seinem bissig-witzigen und lesenswerten Kommentar “Statt Zürcher FDP” zieht Christof Moser in der “Schweiz am Sonntag” historische Parallelen:
“Frühjahr 1990: Mit der Wahl des jungen Sozialdemokraten Josef Estermann zum Stadtpräsidenten übernimmt eine rot-grüne Mehrheit die Stadt Zürich und beendet eine vierzigjährige bürgerliche Vorherrschaft. Und mit Richard Wolff sitzt jetzt seit 1949, als ein Vertreter der Partei der Arbeit (PdA) die Wahl schaffte, wieder ein Politiker in der Zürcher Regierung, der links von SP und Grünen politisiert. Die FDP fällt auf einen Stadtrat zurück – marginalisiert wie letztmals Anfang der 1990er-Jahre.
Tiefrot war Zürich bereits zuvor einmal: während der Weltwirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg. «Erobert Zürich dem Sozialismus!», lautete damals der Wahlslogan der SP. «Wer saniert jetzt die Finanzen, befreit den Leu von roten Wanzen?», stand auf den Flugblättern, mit denen der Freisinn die linke Mehrheit im Gemeinderat brechen wollte. Es kam anders: Am 28. April 1928 eroberten die Linken auch die Mehrheit im Stadtrat – das «Rote Zürich» wurde Realität – und legte die strukturelle Grundlage für den Wahlsieg von AL-Kandidat Richard Wolff 85 Jahre später.”
Weltwoche: vom Wolff gebissen…
In der Weltwoche kommt Alex Baur immerhin zur Erkenntnis, dass die Wohnungsfrage in Zürich ein reales Problem ist, auf das die “liberalen Kräfte” keine eigenen Lösungen und Visionen haben:
“Man mag einwenden, wer sich die Stadt nicht mehr leisten könne, müsse halt in die Agglomeration ausweichen. Doch viele Menschen, die in der Stadt ihre Heimat gefunden haben, wollen das nicht. Dann wählt man den, der einem glaubhaft eine Lösung verspricht. Eine schlechte Lösung ist immer noch besser als gar keine.”
Während hier ein Hauch von Realitätswahrnehmung auszumachen ist, ist Kolumnist Mörgeli wie immer vom Aff – äh vom Wolff – gebissen. Sein Kommentar “Städte bauen, Städte zerstören” wird hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Lektüre wie immer auf eigene Gefahr…
Fernsehen und Radio
Tele Züri 21. April 12h00 (ab 5:38 Streitgespräch Scherr (AL) – Baumer (FDP), vor Wahlsieg)
http://www.telezueri.ch/show-homepage/2193/detail/2201#program_missed
Tele Züri 21. April 15h00 (Wolff – Camin)
http://www.telezueri.ch/show-homepage/403/detail/1955#program_missed
Tagesschau 21. April 2013
http://www.srf.ch/player/tv/schweiz-aktuell/video/wer-ist-richard-wolff?id=587bef5b-ac1c-4ad0-88d1-bd9307282b23
Tagesschau Suisse Romande 21. April
http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/Zuerich-ist-eine-sehr-kapitalistische-Stadt-ich-hoffe-auf-Richard-Wolff/story/27778007
Tele Züri Talk täglich 22. April 2013 (Niggi Scherr – Doris Fiala)
http://www.srf.ch/news/regional/zuerich-schaffhausen/zuercher-stadtratswahlen-die-diskussion
Radio SRF 21. April 2013 Interview Wolff:
http://www.srf.ch/player/radio/popupaudioplayer?id=9281d954-cf41-4f2d-aa4e-0c762e250697
Videointerview NZZ 21. April 2013
http://www.teletop.ch/programm/sendungen/top-news/detail/art/top-news-vom-21-april-2013-001647813/
Printmedien
Presseschau: Wolff und die Sensation (NZZ online 22. April 2013) Stadtrat rückt mehr nach links (NZZ 22. April 2013) Debakel für die Bürgerlichen (NZZ 22. April 2013) FDP braucht Profil (NZZ 22. April 2013) “Der Kampf geht weiter” (Tagesanzeiger 22. April 2013) FDP im Schockzustand (Tagesanzeiger 22. April 2013) Linkstrend in den Städten hält an (Tagesanzeiger online 22. April 2013) Wolff raubt FDP den Sitz (BLICK 22. April 2013) Der linke Wolff komplettiert Stadtregierung (Basler Zeitung 22. April 2013) Stadtrat rutscht weiter nach links (Neue Luzerner Zeitung 22. April 2013) La droite en déroute (Le Temps 22 avril 2013) Alternativer in Zürcher Stadtrat (20 Minuten 22. April 2013) Zürich hat die Alternative gewählt (Limmattaler Zeitung 22. April 2013) Wolff hat sich durchgebissen (Zürcher Oberländer 22. April 2013) Wolff: Chance oder Gefahr? (Tagblatt Stadt Zürich 24. April 2013) Trente années de lutte (Le Temps 24 avril 2013) Linda Bär: Züri isch eus! (P.S. 25. April 2013) Julia Gerber Rüegg: Heraus zum 1. Mai (P.S. 25. April 2013) Koni Loepfe: Ein grosser Sieger (P.S. 25. April 2013) Kaspar Surber: Wolff und die CVP Innerrhoden (WoZ 25. April 2013) Alex Baur: Was wollte er eigentlich? (Weltwoche 25. April 2013) Christoph Mörgeli: Städte bauen, Städte zerstören (Weltwoche 25. April 2013) Die Rotkäppchen und der Wolff (Tagesanzeiger 26. April 2013) Statt Zürcher FDP (Christof Moser, Schweiz am Sonntag, 28. April 2013)