Wohnraum statt Albtraum. Medienkonferenz der AL zur Wohnpolitik. 15. Dezember 2009
50 Prozent der 200’000 Stadtzürcher Haushalte verfügen über ein Haushalteinkommen von weniger als 6000 Franken. Diese Haushalte sind auf Wohnungen angewiesen, die zwischen 1000 und 1800 Franken kosten.
Die Zahl der Einwohner/-innen der Stadt Zürich wird in den nächsten Jahren wegen zahlreichen Neu- und Ersatzneubauten weiter stark ansteigen. Es wächst jedoch auch die Zahl der Menschen, die wegen den hohen Mietzinsen an die Stadtränder und in die Agglomeration vertrieben werden.
Wer dieser zynischen Entwicklung nicht zusehen will, muss für eine griffige Regulierung des Wohnungsmarktes eintreten. Es braucht Massnahmen gegen die Spekulation und Vertreibung – ein Legislaturprogramm für zahlbaren Wohnraum.
Keine Aufwertung städtischer Liegenschaften
Mit dem Ja zur Initiative für zahlbare Wohnungen – über die voraussichtlich im Juni 2010 abgestimmt wird – können 2600 städtische Wohnungen dauerhaft dem Aufwertungszwang entzogen werden. Die vom Kanton vorgeschriebenen spekulativen Aufwertungen der Anlagewerte der städtischen Liegenschaften untergraben das Kostenprinzip und führen alle zehn Jahre zu zum Teil massiv höheren Mieten. Sie sind unvereinbar mit den Prinzipien des kommunalen Wohnungsbaus, wie ihn die Stadt Zürich seit 90 Jahren erfolgreich praktiziert.
Abschreibungskredite für die PWG
Mit der Umsetzung des SP-Vorschlags, der Stiftung für die Erhaltung von preiswerten Wohn- und Gewerberäumen (PWG) mit Abschreibungsbeiträgen wieder Handlungsspielraum auf dem völlig überhitzten Liegenschaftenmarkt zu verschaffen, kann die PWG wieder Liegenschaften der Spekulation entziehen. Die Auszahlung solcher Beiträge ist seit der Gründung der Stiftung möglich*, wurde seither aber nur in zwei Ausnahmefällen ausgeschöpft. Zusammen mit SP, Grünen und CVP hat die AL im Rahmen der Budgetdebatte 3 Millionen Franken bereit gestellt, die im Jahr 2010 ausgerichtet werden können. Die AL fordert jedoch den Stadtrat auf, klare Vorgaben zu machen, dass diese Beiträge von der PWG nicht für teure Aufwertungsprojekte oder die Finanzierung von Schicki-Micki-Läden, sondern für die Bereitstellung von zahlbaren Wohn- und Gewerberäumen eingesetzt werden.
Bauland beschaffen für den gemeinnützigen Wohnungsbau
Der heute bei rund 25 Prozent liegende Marktanteil des gemeinnützigen Wohnungsbaus kann nur gehalten werden, wenn private Grundeigentümer Verantwortung übernehmen. Deshalb verlangt die AL, dass bei privaten Neubauprojekten ein Drittel der Wohnungen dauerhaft für den gemeinnützigen Wohnungsbau freigegeben werden. Manuela Schiller zeigt mit ihrer am 25. November 2009 eingereichten Einzelinitiative einen Weg auf, wie dieses in der Stadt Zug erfolgreich in der Bauordnung verankerte Prinzip auch in Zürich umgesetzt werden kann.
Schon bevor neue baurechtliche Bestimmungen den Handlungsspielraum erweitern, muss die Stadt handeln. Möglichkeiten, die Bereitstellung von Bauland für gemeinnützige Wohnbauträger zu fördern, gibt es verschiedene. Jede dieser Möglichkeiten muss genutzt werden.
Zollfreilager. Vage Zusagen durchsetzen
Auf dem Zollfreilager will die Freilager AG 1000 Wohnungen bauen. Der Stadtrat sagt, dass die Eigentümer einen Teil der Wohnfläche für studentisches Wohnen freigeben wollen. Aus diesem Versprechen muss eine Vereinbarung werden. Die Bauordnung verlangt für das Freilagerareal einen Gestaltungsplan. Die Freilager AG hat einen privaten Gestaltungsplan dem Stadtrat unterbreitet. Die AL fordert, dass dieser Gestaltungsplan vom Gemeinderat erlassen wird. Das Zollfreilager braucht einen öffentlichen Gestaltungsplan, keine Privatabsprachen zwischen den Grundeigentümern und der Verwaltung.
Manegg. Es braucht einen öffentlichen Gestaltungsplan
Das gleiche gilt für die Manegg. Nachdem SP, Grüne und AL klargemacht haben, dass der von den Grundeigentümern vorgelegte Gestaltungsplan den heutigen Anforderungen an eine soziale und ökologische Stadtentwicklung nicht genügen kann, sind die diese Grundeigentümer nun plötzlich zu Nachbesserungen bereit. Auch diese Zusagen müssen in eine feste Vereinbarung gegossen werden. Auch in der Manegg brauchen wir einen öffentlichen Gestaltungsplan und keine hinter den Kulissen zusammengeschusterte Vereinbarungen.
SBB. In Altstetten muss die Immobilienabteilung Farbe bekennen
Seit einem Jahr diskutiert die Verwaltung im Auftrag des Gemeinderats mit der Immobilienabteilung der SBB, ob eine offene Planung für die freiwerdenden Bahngrundstücke eingeleitet werden könne. Aus der Verwaltung hört man, dass bei diesen Gesprächen nichts herauskommen werde. Das klingt absurd. Immerhin will die SBB von der Stadt Zürich das 1000 Quadratmeter grosse Grundstück Geerenweg kaufen, um zwischen Bahnhof Altstetten und Aargauerstrasse ein weiteres Spekulationsprojet – den Westlink – zu realisieren. Für die AL ist klar: Verkauft wird nur, wenn auf dem nächsten Filetstück der SBB zwischen Europa- und Duttweilerbrücke Genossenschaften zahlbares Bauland erhalten.
Hardturm. Grundeigentümer brauchen keine Geschenke
Auf dem Areal der ehemaligen Trainingsplätze beim Hardturm realisieren die Immobilien AG der Familie Halter und die Familie Albers eines der ganz grossen Spekulationsprojekte. Ein Zehntel des Landes gehört der Stadt Zürich. Der Stadtrat will diese für einen lächerlich tiefen Quadratmeterpreis von 1400 Franken an die Investoren abtreten. Für die AL ist klar: Städtisches Land darf nicht zu Tiefstpreisen an Immobilienfirmen verscherbelt werden, die maximale Renditen erzielen wollen. Verkauft werden darf nur, wenn die privaten Grundeigentümer im Gegenzug bereit sind, etwas für die Entwicklung der Quartierinfrastruktur zu tun und die soziale Durchmischung zu fördern.
Business-Appartements sind keine Wohnungen. Alterssiedlungen sind öffentliche Bauten
Mit weiteren planerischen Massnahmen kann die hohe Nachfrage nach zahlbaren Wohnungen gesichert werden. Die AL verlangt eine Ergänzung der Bau- und Zonenordnung, damit künftig Hotels, Zweitwohnungen und Business-Appartements nicht mehr auf die Wohnanteilsfläche angerechnet werden dürfen. Nur so macht es Sinn, für einen minimalen Wohnanteil zu streiten. Die AL zudem die Bestimmungen das Planungs- und Baugesetzes nutzen, um Bauland für das Wohnen im Alter zu sicheren. Alterssiedlungen und Altersheime gelten als öffentliche Bauten. Das Bauland können mit entsprechenden Festlegungen im Zonenplan gesichert werden.
Preisbewusst bauen, Ersatzneubauten überprüfen…
Viele Vorschläge der AL zeigen Wege auf, wie die Stadt, ihre Wohnbau-Stiftungen und die Genossenschaften wieder zu Bauland kommen können. Der gemeinnützige Wohnungsbau ist jedoch nur dann ein Mittel gegen die soziale Segregation, wenn die Stadt und die Genossenschaften auf die Realisierung von teurer Neu- und Ersatzneubauten verzichten. Preiswert bauen können die Gemeinnützigen, wenn Wohnungsgrössen und Ausbaustandards beschränkt werden und schon bei der Planung die Kostenkontrolle im Vordergrund steht. Die Stadt und die Genossenschaften müssen aber auch bereit sein, die geplanten Ersatzneubauten zu überprüfen. Wohnungen abzureissen, die von jener Hälfte der Haushalte gebraucht werden, die über ein Einkommen von weniger als 6000 Franken verfügen, darf nicht zum guten Ton werden. Städtebauliche Verdichtungen sind so zu planen, dass der Bestand an günstigen Altwohnungen nicht zerstört wird.
…und die Zerstörung von preisgünstigem Wohnraum verhindern
In diesem Sinn gilt es auch, die 2000-Watt-Politik der Stadt Zürich zu überprüfen. Energetische Sanierungen, die zu einer massiven Erhöhung des Wohnflächenkonsums pro Person und zur Vertreibung von Altmieter/-innen führen, dürfen nicht gefördert werden. Fördermittel für Gesamtsanierungen sollen nur jene Eigentümer ausbezahlt werden, die diese Fördermittel dauerhaft zur Vergünstigung der Mieten einsetzen. Die Liegenschaftenverwaltungen und Immobilienkonzerne sollen ihre Sanierungen so planen, dass weder Kündigungen noch massive Mietzinsanpassungen nötig werden.
Kündigungsschutz stärken statt Fremdenhass fördern
Und es braucht von der Stadt Zürich auch eine deutliche Stellungnahme zur Verbesserung des Kündigungsschutzes im Mietrecht. Wenn Hauseigentümer langjährige Mieter/-innen auf die Strasse setzen, weil man auf dem in der Stadt Zürich von einem erheblichen Zuwanderungs-druck geprägten Markt der Wohnungssuchenden höhere Mietzinse abkassieren kann, handelt nicht nur asozial – er trägt auch Mitverantwortung für fremdenfeindliche Strömungen.