Weniger Verbote, mehr Rechtsstaat
Zürich ist in den zwanzig Jahren rotgrüner Mehrheit zu einer Stadt geworden, die gegen Aussen ihre Weltoffenheit zelebriert, gegen Innen aber dem Zwingli huldigt. Vom Aufbruch der achtziger Jahre sind wir in den Mief der Nuller gestolpert. Zu den grossen gesellschaftlichen Konflikten hat man wenig zu sagen. Auf kleine gesellschaftliche Auseinandersetzungen reagiert man dafür umso rascher und heftiger … und meist nach dem gleichen Muster: Mit Reglementen, Gebühren, Verboten, Kontrollen und polizeilicher Intervention.
Wenn sich die MitarbeiterInnen von Grün Stadt Zürich über Flurschäden in öffentlichen Pärken ärgern, macht man eine Polizeiverordnung, in der das private Grillieren in öffentlichen Anlagen verboten wird. Wenn die Spitäler und die Sanität über Alkoholexzesse klagen, baut man ein Ausnüchterungsgefängnis und lässt private Hilfspolizisten hoheitliche Aufgaben ausführen. Wenn falsch parkierte Velos zum Problem zu werden scheinen, schickt man die Markeure der Veloordnung aus, um die länger im Parkverbot stehenden Drahtesel später aufknacken und abtransportieren zu können. Wenn farbige Menschen an der Langstrasse Drogen verkaufen, sendet man Fahnder und Patrouillen aus, die allen Dunkelhäutigen das Leben vergällen. Wenn die Leute vom Kultur- und Wohnprojekt in der Binz um Beistand ersuchen, weil der Kanton mit dem vorzeitigen Abriss der leer stehenden Liegenschaft droht, zeigt die Verwaltung ihnen die kalte Schulter. Wenn die Autonome Schule ihr Steckdosenproblem nicht löst, lässt man sie räumen.
Ich werde im Stadtrat dafür eintreten, dass Zürich eine liberale Stadt bleibt, in der rechtsstaatliche Grundsätze gelten, wo der Staat nicht mit Kanonen auf Spatzen schiesst, wo Freiräume auch für nichtkommerzielle Aktivitäten erhalten und geschützt werden und die Polizei sich auf ihre Kernaufgaben konzentriert.
Weniger Business-Appartements, mehr zahlbarer Wohnraum
Zürich schafft Platz für Reiche. Wer zu wenig Geld hat, um sich die neuen Mietzinse noch leisten zu können, muss halt wegziehen. Dieses zynische Prinzip ist es, das viele Menschen wütend und sprachlos gemacht hat. Seinen sozialdemokratischen Grossvätern und der Arbeiterbewegung hat Zürich den starken genossenschaftlichen Sektor zu verdanken. Deren Lorbeeren dürfen sich die Enkel jedoch nicht mehr aufs Haupt setzen.
Zwölf lange Jahre ist der Stadtrat den Investoren hinterhergerannt und hat Spekulationsprojekte gefördert, die aus „Entwicklungsgebieten“ Monokulturen gemacht haben. Der SBB hat man die Viaduktbögen via PWG zu Vorzugsbedingungen abgenommen und ihr als Draufgabe noch den Stadtraum HB verkauft. In Zürich-West darf die Familie Albers zusammen mit der Baufirma Halter den vom Gemeinderat erhöhten Wohnanteil mit Business-Appartements und Hotels abdecken. Für die Realisierung des vom neuen Zürcher Stadtbaumeister entworfenen Hochhauses Hard Turm Park sollen die Grundeigentümer noch städtisches Bauland zum Vorzugstarif erhalten. Es gibt keine kooperative Planung, bei der sich der Stadtrat für den Bau von zahlbaren Wohnungen eingesetzt hat. Auch wenn er Trümpfe in der Hand hatte, die gestochen hätten, sind die privaten Investoren nicht an ihre soziale Verantwortung erinnert worden. Nie hat sich der Stadtrat für Mieterinnen und Mieter eingesetzt, denen die Wohnung wegen einer Luxussanierung gekündigt worden ist.
Ich werde im Stadtrat dafür eintreten, dass es einen fairen Interessenausgleich gibt zwischen dem öffentlichen Anliegen der sozialen Durchmischung und privaten Renditeüberlegungen. Ich werde dafür sorgen, dass Transparenz hergestellt wird und Planungsentscheide erst dann gefällt werden, wenn Klarheit über die Nutzungsoptionen hergestellt ist. Wenn Stadtquartiere neu gebaut werden, muss klar sein, ob es in diesen neuen Quartieren auch Platz geben wird für die Zürcherinnen und Zürcher, die auf Wohnraum angewiesen sind.
Weniger Leuchttürme, mehr Schulen und Horte
Zürich freut sich, wenn es im internationalen Städte-Ranking einen Platz gutmachen kann. Der Stadtrat lobt sich, wenn sein Signet beim schönsten Sprung eines Freestylers auf der Landiwiese auf dem Bildschirm eingeblendet wird. Zürich gibt Millionen aus, um aus Strassen Alleen zu machen. Und der Stadtrat setzt alle Hebel in Bewegung, um doch noch möglichst rasch die Nase vorn zu haben im Kampf um einen Spitzenplatz im internationalen Kongresstourismus.
Doch auch Zürich hat ein Investitionsbudget, das eingehalten werden muss. Und weil die Zürcher Bevölkerung wächst – das Statistische Amt prognostiziert für das Jahr 2025 430‘000 EinwohnerInnen – wachsen auch die Bedürfnisse. In den nächsten zehn Jahren müssen wir Schulhäuser, Gemeinschaftszentren, Horte, Sportanlagen und Verkehrsinfrastrukturen bauen. Fehler bei der Investitionsplanung kommen uns teuer zu stehen: 2004 hat der Stadtrat den Bau des Schulhauses Ruggächer aus der Investitionsplanung gestrichen. Heute müssen wir 10 Millionen Franken für ein unbefriedigendes Schul-Provisorium ausgeben, damit die SchülerInnen der Neubausiedlungen in Affoltern nicht im Freien unterrichtet werden müssen.
Ich werde im Stadtrat dafür eintreten, dass die Schwerpunkte bei der Verteilung der Mittel neu definiert werden. Aufwertungsprojekte wie der Abriss der Neufrankengasse, die Umwandlung der Strassen im Langstrassenquartier in Schicki-Micki-Alleen müssen zurückgestellt werden. Das neue Kongresszentrum soll geplant werden, wenn klar ist, dass die Mittel für den Bau mittelfristig auch zur Verfügung stehen. Investiert werden muss in die soziale Infrastruktur, in die Ränder der Stadt und nicht in deren Zentren – und in die Schulen, weil die Volksschulreform ohne die nötigen Ressourcen nicht erfolgreich umgesetzt werden kann.
Walter Angst