Das Schweizer Gesundheitssystem mag viele Defekte haben.
Einer ist besonders stossend. Wegen den Kopfprämien steigt die Prämienbelastung für die unteren und mittleren Einkommen und die mehrköpfigen Haushalte mit jeder Prämienerhöhung unverhältnismässig stark an. Und das System der Prämienverbilligung hat einen Geburtsfehler: Wenn die Prämien steigen und die Kantone bei den Prämienverbilligungen nicht mitziehen, steigt die Belastung für die unteren Einkommen noch stärker. Die Zahlen zeigen, in welchem Ausmass das im Kanton Zürich der Fall ist.
210 bis 280 Millionen Kaufkraftverlust wegen Krankenkasse.
Die Haushalte zahlen pro Jahr rund 3.5 Milliarden Franken Krankenkassenprämien. Im Jahr 2009 belief sich die Prämienlast im Kanton Zürich je nach Region für Erwachsene auf 3‘400, 3‘700 respektive 4‘200 Franken, für junge Erwachsene (19-25 Jahre) auf 2‘700, 3‘000 respektive 3‘400 Franken und für Kinder auf 800, 900 oder 1‘000 Franken. Für 2010 ist mit Prämienerhöhungen von 6 bis 8 Prozent zu rechnen. Die Erhöhung frisst 210 bis 280 Millionen Franken Kaufkraft. Eine Familie mit zwei Kindern zahlt heute in der Stadt Zürich 10‘400 Franken Prämie. Die angekündigten Prämienerhöhungen belastet sie 2010 mit zusätzlichen 600 bis 800 Franken.
Hälfte der Prämienverbilligung geht an Sozialhilfe und Ergänzungsleistungen.
2007 bezogen im Kanton Zürich rund 386‘000 Personen oder 30 Prozent der Haushalte Prämienverbilligungen. Der Kanton erhält dazu vom Bund jährlich rund 300 Millionen Franken und muss wegen den Bestimmungen im Einführungsgesetz zum Krankenversicherungsgesetz (KVG) den gleichen Betrag aufstocken. Total werden damit rund 600 Millionen verteilt. Bei den EmpfängerInnen von Sozialhilfe oder AHV/IV-Ergänzungsleistungen wird die ganze
Prämie übernommen. Obwohl sie zusammen bloss 24% der 386‘000 BezügerInnen ausmachen, erhalten sie – beziehungsweise die Sozialämter der Gemeinden – 45-50% der ausgeschütteten Leistungen.
Verbilligungsbeiträge hinken hinter Teuerung nach.
Die Verbilligungsbeiträge wurden für die Jahre 2007 und 2010 leicht angehoben, hinken aber nach wie vor hinter der Teuerung her. Für 2010 werden die Verbilligungsbeiträge für Verheiratete in der Stadt Zürich pro Kopf um 60 bis 96 Franken, in den übrigen Regionen um 60 bis 180 Franken pro Jahr erhöht. Die Verbilligung für die Kinderprämien bleibt unverändert. Damit schlägt ein erheblicher Teil der Prämienerhöhung auf die Kaufkraft durch. Der Bundesbeitrag wird zwar der Prämienentwicklung angepasst. Für die Berechnung der Prämienverbilligungen 2010 werden aber die durchschnittlichen Kosten der Krankenkassen der Jahre 2006 bis 2008 beigezogen. Die Prämienexplosion 2010 wirkt sich erst in den Zuschüssen für 2012 aus.
Prämienverbilligung jetzt.
Die sich öffnende Schere zwischen den explodierenden Prämien und den Prämienverbilligungen muss ausgeglichen werden. Dieser Ausgleich muss aus sozial-und konjunkturpolitischen Gründen rasch erfolgen. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse und der misslichen finanziellen Lage des Kantons Zürich ist absehbar, dass Vorstösse zur Erhöhung der Prämienverbilligungen im Kantonsrat wenig Chancen haben – wenn nicht Druck von Aussen kommt.
Zeit drängt.
Deshalb wollen wir die 6000 Unterschriften für die Initiative bereits nach den Herbstferien einreichen – nach Ablauf der halben Frist für Initiativen. Das Ziel ist hochgesteckt, die Zeit ist aber günstig (im September und Oktober werden die neuen Prämien bekanntgegeben). Und wir wissen: Politische Veränderungen sind auch in diesen Zeiten möglich, wenn richtige Forderungen zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Mitteln auf die politische Agenda gesetzt werden.