Unter einem neckischen Bild, auf dem Kathrin Martelli mit Bauhelm und Schaufel vor dem Abbruchbagger zu sehen ist, wurde ein gewisser Urs Frei zitiert. Man habe sich stark für die vom Abbruch der 121 Wohnungen betroffenen Mieter/-innen engagiert, sagte der Präsident der Bauherrin, die sich Baugenossenschaft Turicum nennt.
Das war blanker Hohn. Die Baugenossenschaft, die die Häuser am 1. Dezember 1999 von einer sozialen privaten Vermieterschaft übernommen hat, versprach viel, als Sie den Mieter/-innen am 2. Mai 2006 den etappenweisen Abriss der Siedlung angekündigte. Man werde den vom Abbruch betroffenen Mieter/-innen eine angemessene neue Wohnung anbieten. Die Mieter/-innen könnten „in der Regel“ in ein neu erstelltes Haus einziehen. Wo dies nicht möglich sei, werde Wohnraum bei benachbarten Genossenschaften oder der Liegenschaftenverwaltung der Stadt Zürich vermittelt.
Realität ist: Ein Umzug in eine neu erstellte Wohnung ist für die MieterInnen der 2. Etappe, die auf März 2010 die Kündigung erhalten haben, nicht möglich. Die erste Etappe wird nämlich erst im Frühjahr 2011 bezugsbereit sein. Eine Züglete in eine freie Wohnung der dritten Etappe ist nur für eine Mieterschaft möglich. Die dortigen Wohnungen wurden in letzter Zeit auch an Dritte vermietet. Und das Ersatzobjekt, das die von der Baugenossenschaft Turicum angeheuerte „Indermauer Verwaltungs AG“ Mieter/-innen anbietet, die die Kündigung erhalten haben, ist weder eine Genossenschafts- noch eine Stadtwohnung und liegt auch nicht in der Umgebung. Das Objekt ist in einer Mietskaserne an der Badenerstrasse zu finden.
Die Erbengemeinschaft, die die Häuser bewusst an eine Genossenschaft verkauft hat, wird sich verdutzt die Augen reiben. Sie ist einer Käuferschaft auf den Leim gegangen, die sich zwar Baugenossenschaft nennt, die aber ihren Verpflichtungen nicht nachkommt. Dass die Stadt Zürich, die im Vorstand der Turicum vertreten ist, diesem Treiben nicht Einhalt gebietet, ist ein Armutszeugnis. Dass sich die Zürcher Bauvorsteherin Kathrin Martelli mit der Teilnahme am Spatenstich auch noch dazu hergibt, der Bauherrin den städtischen Segen zu erteilen, ist der Gipfel.
Es ist nicht das einzige Armutszeugnis, das die für die Liegenschaftenpolitik, den Bau und die Stadtenwicklung zuständigen Amststellen zurzeit abliefern. Beim Bahnhof Altstetten geben die Stadtplaner einem Immobilienprojekt der SBB den Segen, das wieder nur auf Renditeoptimierung setzt. Den Westlink kann die SBB nur realisieren, weil die Stadt den Bundesbahnen eine 1000 Quadratmeter grosse Parzelle an der Aargauerstrasse verkauft – und darauf verzichtet, Vorgaben für den Bau von zahlbaren Wohnungen zu machen.
Noch krasser ist der Deal, den die Stadt Zürich mit den Eigentümern der vor der Überbauung stehenden Fussballplätzen beim Hardturmstadion vollziehen will. Dort soll eine 3000 Quadratmeter grosse Parzelle, die der Stadt gehört, an privaten Investoren verkauft werden, damit diese dort ein vom neuen Stadtbaumeister entworfenes Hochhaus hinklotzen können. Der Clou: Den gesetzlich vorgeschrieben Wohnanteil verballhornen die Bauherren des 200-Millionen-Turms hinter dem Toni-Areal, indem sie unbezahlbare Businessappartments und Hotelzimmer erstellen. Das ist zwar erlaubt, aber trotzdem ein krasser Verstoss gegen den vom Gemeinderat zum Ausdruck gebrachten Willen.