Im Bericht über den bevorstehenden Bezug der ersten Bauetappe der Siedlung Wasserschöpfi in Zürich Wiedikon, durfte sich die Vertreterin der Bauherrschaft vor einer Woche in dieser Zeitung rühmen. Helvetia-Patria setze die beim Lebensversicherer hinterlegten Gelder für die Verbesserung der Wohnqualität und eine gute Durchmischung von Wiedikon ein. Alles gut, könnte man meinen.
Ich kenne die Menschen, die an der Wasserschöpfi gewohnt haben, und weiss, dass nichts gut ist. 227 sehr günstige 1,5- bis 5,5-Zimmer-Wohnungen mit vielen sehr zufriedenen Mieter/-innen standen dort, wo der von den Helvetia-Versicherungen bestellte Baggerzahn seit zwei Jahren wütet. Für 1000 Franken konnte man damals an der Wasserschöpfi noch eine Vierzimmerwohnung mieten.
Trotz der Etappierung des Bauvorhaben hatten die Planer nie die Absicht, den bisherigen Bewohner/-innen eine Rückkehr in ihr angestammtes Wohnumfeld zu ermöglichen. Ein Luxusprojekt für die Doppelverdiener der oberen Lohnklassen sollte die beschauliche Wohnsiedlung ersetzen – eine Wohnmaschine, die hohe Renditen garantiert und in der es keinen Platz mehr hatte für die alten Mieter/-innen.
So war denn auch die Aufgabe formuliert, die man 2004 den sich am Wettbewerb beteiligenden Architekt/-innen gestellt hat. Damals haben viele noch an den immerwährenden Boom geglaubt. Heute steht der Neubau an der Wasserschöpfi ziemlich quer in der Landschaft. Natürlich gibt es Leute, die eine 110 Quadratmeter grosse Attikawohnung für 3500 Franken mieten können. Bei Quadratmeterpreisen, die durchwegs über 300 Franken liegen, sollte man sich heute aber auch als Vertreterin einer Bauherrschaft davor hüten, von einer „guten Durchmischung“ zu sprechen. Wer so wie die Helvetia an der Wasserschöpfi baut, setzt auf Segregation und Vertreibung. Eine verantwortungsbewusste Immobilienpolitik, die Rücksicht nimmt auf bestehende Strukturen, ist das nicht.
Und was hat das alles mit der Politik zu tun? Kathrin Martelli und ihre UnterstützerInnen von EVP/CVP und Grünliberalen bis PFZ und FDP, preisen ihre Stadtpräsidiumskandidatin zur Zeit als Wohnungsbauerin an (man konnte das schöne blau-weisse Inserat auch in Zürich-West entdecken). Zu den 7000 Wohnungen, deren Bau die Vorsteherin des Hochbaudepartements ermöglicht hat, gehören auch die 154 an der Wasserschöpfi. Zusammen mit den Grundeigentümern hat das Amt für Hochbauten die Grundlagen für das Neubauprojekt erarbeitet und den Architekturwettbewerb ausgeschrieben.
Kein Mensch hat sich damals bei den alten Mieter/-innen erkundigt, wie sie sich die Erneuerung ihrer in die Jahre gekommenen Wohnsiedlung vorstellen könnten. Als die Kündigungen eingetroffen sind, empfahl man den Älteren unter ihnen nur, sich bei Bobby Neukomm um einen Altersheimplatz zu bemühen.
Es bleibt ein Wunsch. Liebe Bauherren, liebe Parteien, liebe Politikerinnen; wenn ihr schon über die Köpfe der Menschen hinweg plant und politisiert, dann lasst doch wenigstens den Anspruch fallen, als Wohltäter/-innen bejubelt werden.