Züri-West, Juni 2008
Im Frühjahr haben zwei besorgte SchulleiterInnen bei mir nachgefragt, was in Sachen Schulsozialarbeit nun weiter laufe. Sie wollten wissen, ob das vom mir, Jean-Claude Virchaux (CVP) und Thomas Marthaler (SP) in dieser Sache eingereichte und vom Gemeinderat im Dezember 2007 mit grosser Mehrheit überwiesene Postulat geschehen sei, mit dem Stadtrat zum dritten Male aufgefordert worden ist, die seit dem Jahr 2000 eingefrorenen Mittel für die Schulsozialarbeit zu erhöhen.
Zu meiner und der SchulleiterInnen Freude hat der Stadtrat Ende April in geradezu rekordverdächtiger Zeit gehandelt. Statt 24 sollen künftig 34 Stellen für die Schulsozialarbeit in den Stadtzürcher Schulhäusern zur Verfügung stehen. Nach Jahren, in denen die Behörden immer mehr Mittel in Repression und die vielbemühte „Missbrauchsbekämpfung“ gesteckt haben, wird endlich wieder in konstruktiver Weise in das soziale Zürich investiert.
Die Schulsozialarbeit ist in den letzten Jahren zu einer Hochburg der pragmatischen, unbürokratischen und anpackenden Sozialarbeit geworden. Die SchulsozialarbeiterInnen sind keine Polizisten. Wenn sie auf Schülerinnen und Schüler treffen, die ab der Rolle zu fallen drohen, fragen sie nach. Sie schauen auf die Familie und aktivieren die vorhandenen sozialen Netze. Sie versuchen die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass die Schülerinnen und Schüler ihren Alltag wieder altersgerecht bewältigen und ihre Potentiale entwicklen können. Kurz: Sie machen das, was wir von Menschen erwarten, die sich zum Sozialarbeiter oder zur Sozialarbeiterin ausbilden lassen.
Vor einigen Jahren wurde dieser Ansatz der anpackenden, pragmatischen Sozialarbeit auch in den Sozialämtern und dort insbesondere in der Jugend- und Familienhilfe gepflegt. In den neuen Sozialzentren war das immer weniger möglich. Die Alternative Liste (AL) hat schon vor Jahren auf die sich anbahnende Krise der sozialen Arbeit und auf die verheerenden Auswirkungen der explodierenden Arbeitsbelastung in den Sozialen Diensten hingewiesen. Heute wird dieser Befund der AL allseits anerkannt … auch vom Stadtrat. Er hat Ende April beschlossen, den Etat der Sozialzentren bis im Dezember 2008 von 255 auf 309 Vollzeitstellen zu erhöhen.
Auch das war ein Beschluss, der Anlass zur Freude gab … eine Freude, die jedoch erheblich getrübt wurde, als ich den Unterlagen der Stadtrates gelesen habe, für was die Chefin der Sozialen Dienste die zusätzlichen Ressourcen nutzen will. Da ist nur einmal die Rede vom Auftrag der Sozialarbeitenden, den Ratsuchenden Hilfestellungen für die bewältigung des Alltags zu geben (Integrationsauftrag). Gleich vier Mal ist als Begründung für die Notwendigkeit der Ressourcenaufstockung jedoch von der Missbrauchsbekämpfung die Rede.
Wenn mit den 49 neuen Stellen in den Sozialzentren zu vier Fünfteln Missbrauchsbekämpfung getrieben und nur zu einem Fünftel Sozialberatung geleistet werden sollte, wäre das eine mehr als schlechte Nachricht für das soziale Zürich.